Zeit für neue Leder
Während der Träger des uralten Schuhs in der armenischen Höhle sicherlich sehr glücklich war über dieses robuste Kleidungsstück, brauchen wir in der heutigen Welt der Hightech-Materialien –
rational betrachtet – kein Leder mehr. Doch Lederprodukte haben eine eigene Funktionalität, eine eigene Ästhetik, und wohl auch in Zukunft eine Vielzahl von Liebhaber*innen. So machen die neuen Lederoptionen auf Pflanzenbasis hier Hoffnung. Zwar lässt sich derzeit noch keine wissenschaftliche Bestätigung einholen, dass Alternativen aus Kork, Apfel oder Ananas wirklich immer die bessere Wahl sind. Ein paar kritische Punkte gibt es auch hier: Viele Hersteller von Korkleder etwa geben an, das Material sei eine „natürliche Lederalternative” auf der Basis eines nachwachsenden Rohstoffs, für den noch nicht mal ein Baum gefällt werden müsse. Allerdings behandeln auch sie Korkleder mit Stoffen wie Polyester oder Polyurethan – schließlich wäre Kork allein kaum widerstandsfähig genug, um etwa als Schuh die Füße trocken zu halten. Doch bemühen sich viele Hersteller um möglichst umweltfreundliche Zusammensetzung ihrer neuen Materialien: Das vom Bozener Unternehmen Frumat in die Welt gesetzte Apfelleder etwa basiert auf Apfeltrester: einem Abfallprodukt der Saftproduktion. Auch hier müssen Stoffe wie Polyurethan zugefügt werden, um das Material haltbar zu machen. Doch verweist der Apfelleder-Erfinder Hannes Parth auf neue Entwicklungen am Kunststoffmarkt, darunter auch „bio-based” Polyurethan. Man produziere „so nachhaltig wie möglich”.
Ebenfalls interessant und tierleidfrei, wenngleich noch nicht erhältlich, ist eine Erfindung des US-StartUps MycoWorks: Pilzleder. Aus Pilz-Myzel gewachsen, soll das Material alle Ledereigenschaften – Strapazierfähigkeit, Atmungsaktivität etc. – besitzen und sich in einem Cradle-to-cradle-Kreislauf biologisch entsorgen lassen. Piñatex hingegen, das lederartige Material aus Ananasblättern, ist bereits auf dem Markt und wirbt ebenfalls mit Abbaubarkeit. Nachdem jedoch Puma und Camper Prototypen mit Piñatex entwickelt hatten, scheinen sie das Material nicht ins Sortiment aufgenommen zu haben – zumindest noch nicht. Klar ist: Ob sich die neuen Pflanzenleder auch auf dem großen Markt etablieren, ist letztlich von unserer Nachfrage abhängig.
Doch auf welches Material auch unsere Wahl fällt, sollten wir uns bei all der Diskussion eine tiefergehende Frage stellen: Ist unsere extrem kurz getaktete Nachfrage nach mehr und neuer Mode nicht gerade auch Teil des Problems – und zwar ganz unabhängig davon, wie tierleidfrei und ungiftig die Produkte hergestellt werden? Mode hat inzwischen eine viel zu kurze Halbwertszeit – Stichwort Fast Fashion. Vielleicht wird es Zeit für einen neuen Trend: wieder mehr Wertschätzung für langlebigere Produkte. Das kann gleich ganz viele Probleme auf einmal lösen.