Die vier Leder-Legenden

Legende 3: „Nur ein Abfallprodukt”

Leder sei nur ein Nebenprodukt der Fleischgewinnung – auch die Lederbranche selbst verteidigt sich gerne mit diesem Argument. Dabei schwingt mit: Wenn ein Tier schon für Steak oder Wurst geschlachtet wird, dann wollen wir doch seine Haut nicht wie Abfall behandeln?! Tatsächlich stammt 65 % des Leders weltweit von Rindern, deren Fleisch monetär mehr wert ist als ihre Haut. Den schwarzen Peter, Tiere zu töten, hält hier also vermeintlich die Fleischindustrie – und wer demgegenüber Leder dann verwertet statt verschwendet, erscheint selbst sogar noch als Verteidiger von Nachhaltigkeit. So schreibt etwa auf seiner Firmenwebsite der erfolgreiche deutsche Produzent Gusti Leder: „Alle von uns verwendeten Leder werden ausschließlich aus Häuten von Tieren gewonnen, deren Haltung primär der Fleischgewinnung und der Nachzucht dient.” Und sie stammen auch aus Indien, wie Gusti angibt: einem der größten Tierhautproduktionsstaaten der Welt, wo die Zustände viel über diese Branche verraten:
Die indische Lederindustrie verarbeitet rund 230 Millionen Meter Tierhäute und -felle pro Jahr, mit einem Marktwert von mehreren Milliarden Euro. Vor allem Rind – was zunächst paradox scheint. Denn im vor allem hinduistisch geprägten Indien gilt die Kuh auch heute noch als heilig. In den meisten Landesteilen ist es gesetzlich verboten, Kühe zu töten.
Doch Indien ist, bei aller Liebe zur Kuh, zugleich der Welt größter Produzent und Konsument von Milch – und exportiert sogar mehr Rindfleisch als Brasilien oder die USA. “Indien züchtet die Rinder nicht wegen ihres Fleisches, aber die zahllosen, bei der Milchproduktion nachgezüchteten männlichen Kälber und die ausgedienten Milchkühe landen letztlich für Fleisch und Leder beim Schlachter”, erklärt Amruta Ubale, Leiterin der Tierschutzorganisation Animal Equality in Indien. „In Indien sind Milch und Leder zwei Seiten derselben Medaille. Und tatsächlich ist Leder hier profitabler als Fleisch.”
Und so gibt es, trotz der Schutzgesetze für die „Heilige Kuh” Indiens, einen florierenden illegalen Markt für Produkte auch von Kühen und neben den 3.600 offiziellen Schlachthöfen noch weitere rund 32.000 nicht-lizenzierte in Hinterhöfen und sogar in Wohnhäusern. Orte, an denen keine Kontrollen stattfinden, keine Tierschutzgesetze herrschen.

Immer wieder haben Tierschützer in diesen Schlachthöfen und auf den Tiermärkten unvorstellbare Grausamkeiten gefilmt – auch Grausamkeiten, die speziell und ausschließlich für die “Lederernte” geschehen. Verletzte und kranke Rinder aus den Milchbetrieben sind alltäglicher Anblick auf den Tiermärkten. Aufnahmen von Animal Equality Indien zeigen, wie einige Männer Holzplanken über eine hochträchtige Kuh rollen: eine offenbar gängige Methode, um die Kälbergeburt zu erzwingen. Doch Schmuggler fangen Indiens Kühe auch auf den Straßen ein, bringen sie wegen des Schlachtverbots häufig illegal über Grenzen, in weniger restriktive Nachbargebiete oder nach Bangladesch. Bei diesen oftmals tagelangen Transporten, zusammengepfercht auf LKWs, sterben insbesondere Kälber häufig an Verletzungen, Wasser- und Nahrungsmangel. Wer vor Erschöpfung zusammenbricht, bekommt die Schwänze gebrochen, Stöcke in die Genitalien gestochen oder Pfefferspray und Chili in die Augen gerieben – solcher Schmerz treibt auch halbtote Kühe nochmals an. Zugleich folgen solche Grausamkeiten einer perversen Systematik, wie die indischen Tierwohlexperten Sharma und Sharma konstatieren: Denn in Indien selbst dürfen allenfalls kranke Kühe geschlachtet werden. Um die entsprechende Genehmigung zu bekommen, bricht man den Tieren die Beine, verätzt ihre Augen oder sticht sie aus, oder schwächt die Kühe mit Gift. In den Schlachthäusern folgen dann weitere Grausamkeiten: Verbrühen, langsames Ausblutenlassen und Häuten – alles bei lebendigem Leib. Und all dies, um die Qualität des Leders zu steigern oder dessen Gewinnung zu erleichtern. Doch statt gegen diese Tierquälerei, gegen die übliche Kinderarbeit oder die Umweltkatastrophe der Lederproduktion vorzugehen, plant der indische Council of Leather Exports die Gewinne bis 2025 auf 10 Milliarden Dollar sogar beinahe noch zu verdoppeln – denn die Unternehmen auch aus Europa, auch aus Deutschland kaufen dieses Leder gerne.

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