Zeig, was du nicht hast!

Zeig, was du nicht hast!

Ressourcenschonend wollen wir leben, einen enkeltauglichen Planeten übergeben, die Welt und uns selbst retten. Minimalismus, also Konsumreduktion bis hin zu Konsumverzicht, ist dabei ein Werkzeug der Wahl, ein Hype und sogar eine Herausforderung. Ein Erfahrungsbericht voller Fehler, Fülle und Vertrauen.

Von: Kim Löwer

Dass es beim Minimalismus nicht nur darum geht, möglichst wenig Dinge zu besitzen, einen bewussten Konsum zu lernen oder regelmäßig auszumisten, sondern auch darum, die innere Balance und die innere Fülle zu erkennen und zu leben, habe ich in den letzten drei Jahren erkannt. Wie es dazu kam? Ein Rückblick:

Herbst, 2015: Einer großen Sehnsucht nach Freiheit und dem Wunsch aus meinem Hamsterrad aus Vollzeitjob und gleichzeitigem Muttersein zu entfliehen und mich allem Besitz zu entledigen, folgte ein nächtlicher Anfall: Ich zog alles aus den Schränken und Kommoden, saß im Wohnzimmer meiner Münchener Wohnung vor einem riesigen Haufen Zeug. Nach und nach bildete ich kleinere Haufen: Zu Verschenken, Wegschmeißen, zu Verkaufen und Behalten. Letzterer war der kleinste. Welch eine Wohltat. Nach und nach wurden die Haufen kleiner und schwanden schließlich ganz. Ich lieh mir einen Bus und fuhr mit Kind und Hund aber ohne Ziel und ohne Plan los. Freiheit!
Dieses Freiheitsgefühl hielt etwa ein Jahr an, ein Jahr, in dem ich nahezu allen Konsum verweigerte. Lebensmittel containerte ich entweder oder baute sie selbst an, nur Grundlebensmittel wie Reis und Nudeln kaufte ich ein. Kosmetika stellte ich selbst her, Kleidung kaufte ich gar nicht. Doch nach einem Jahr wurde mir bewusst, dass ich mich in allen Lebensbereichen so sehr reduziert hatte, dass es mir nicht mehr gut tat. Ich lebte den Minimalismus nicht mehr aus einer natürlichen Fülle, sondern aus einem notwendigen Zwang heraus. Somit war ich weder im Innen noch im Außen in Balance. Die Fragen, die ich mir nun stellte, lauteten nicht mehr: Wie lebe ich möglichst umweltschonend? Wie verbringe ich meine Lebenszeit sinnvoll? Sondern ziemlich schmerzhaft: Wie überlebe ich? Wie bezahle ich meine (geringen) Fixkosten? Ich hatte also die Balance verloren und meine eigene Grenze nicht erkannt und missachtet. Mein Minimalismus war nicht mehr gelebte Achtsamkeit, sondern erzwungener Mangel geworden. Manche Minimalisten vermögen es, das entstandene Konsumloch mit Kreativität zu füllen, mir gelang es damals irgendwann nicht mehr.

Bloß nicht zwanghaft werden
Was ich selbst erlebt habe, bestätigt mir Jörg Faber. Er warnt davor, Minimalismus nicht zum Zwang werden zu lassen: „Zwanghaftes Entrümpeln und Reduzieren helfen nicht beim Vereinfachen und haben nichts mit Minimalismus zu tun“, schreibt er auf seinem Blog www.thesimplizist.de. Ja, aber wie funktioniert denn nun achtsamer und richtig gelebter Minimalismus? Die Pauschalantwort lautet wohl: Für jeden anders! Im Fokus sollte aber immer die Motivation und vor allem das Selbst stehen. Warum will ich minimalistisch leben? Und: Inwieweit tut mir das Reduzieren von Materiellem gut?
Inspiration zum Thema Minimalismus geben unzählige Blogger*innen, alleine den Hashtag #minimalism gibt es aktuell auf Instagram über 12,7 Millionen mal, Instagram als Eldorado des schicken und cleanen Minimalismus. Man zeigt, was man nicht hat. Wohnen in Tiny Houses, Matratze auf dem Boden, ein überschaulicher und geordneter Kleiderschrank – alles Zeichen des modernen Minimalismus. Zumindest äußerlich. Das Leben, ein Handgepäck.

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