Wertlose Ware: unwertes Leben?
Wären Tick, Trick und Track keine Enten, sondern Küken von Legehennen gewesen, ihre Abenteuer wären kürzer ausgefallen als ein Comic-Strip in der Sonntagszeitung. Denn männliche Küken aus Legehennen-Brütereien werden, da sie keine Eier legen können, aber auch für die Mast unbrauchbar sind, aussortiert und getötet. Dies geschieht meist durch Vergasung mit CO2, aber laut Dr. Haferbeck (PETA) muss davon ausgegangen werden, dass das berüchtigte Kükenschreddern nach wie vor praktiziert wird. Dem Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft sei unter den verbandlich organisierten 25 Brütereien keine bekannt, die anstelle der zweistufigen Massenvergasungen Küken schredderten, er betont aber, dass „das Schreddern als Tötungsverfahren für Küken nach der Tierschutz-Schlachtverordnung grundsätzlich zulässig“ sei. Eine Meldepflicht dafür gibt es nicht. Ob geschreddert oder vergast, die Aussortierung nach Geschlecht kostet pro Jahr zwischen 40 und 50 Millionen sogenannter Eintagsküken ein kurzes Leben, das sich ausschließlich auf Förderbändern abspielt, umgeben von Tausenden Art- und Leidensgenossen. Und das allein in Deutschland; EU-weit sind es sogar über 300 Millionen. Bislang wirkungsfreie Unternehmungen dazu kommen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, wo man verkündete, das Kükenschreddern schon 2017 (!) zugunsten des sogenannten In-Ovo-Geschlechtsbestimmungsverfahrens (auch als Sexing bezeichnet) abzuschaffen, bei dem schon im Ei festgestellt werden kann, ob der befruchtete Embryo dereinst als Legehuhn oder unproduktiver Wegwerfhahn schlüpfen wird. Doch beide dafür in Betracht kommenden Verfahren – ein spektroskopisches, bei dem das Geschlecht des Tieres mithilfe eines Licht strahls bestimmt wird, und ein endokrinologisches, bei dem die Flüssigkeit im Ei auf Hormone untersucht wird – sind stets zu aufwändig, zu teuer oder wie letzteres noch in der Testphase. Zudem müssten neue Maschinen gebaut und angeschafft werden, was zu einer Verteuerung des Eis im Verkauf von drei bis vier Cent führen könnte – doch solch eine Verteuerung ist aktuell in den Augen der Industrie unzumutbar und wahrlich ein „vernünftiger“ Grund, um Millionen empfindungsfähiger Wirbeltiere in eine Existenz zu zwingen, die nur ihren Tod kennt. Überflüssig sind solche High-Tech-Methoden bei den bereits auf die Nutzung der weiblichen Küken ausgelegten Züchtungen: Schon am braunen Gefieder ist problemlos erkennbar, dass es sich um ein weibliches Legehuhn, bei den üblichen gelb-weißen Küken um nutzlose Biomaterie ohne Profitperspektive handelt, die selektiert und weiterverarbeitet wird.
Alternativen zur industriellen Haltung
Angesichts der unvertretbaren Auswüchse, die der Profitmaximierungswahn der industrialisierten Agrarwirtschaft mit sich gebracht hat, wehren sich zunehmend Unternehmen. Entweder durch artgerechtere Haltungsvorgaben und gründlichere Kontrollen, wie es z.B. Öko-Anbieter*innen vormachen, oder durch Anschluss an alternative Produktions- und Distributionswege der Solidarischen Landwirtschaft, einer Bewegung, die das Ziel hat, ein nachhaltiges, faires und artgerechteres Gegenmodell zur industrialisierten Agrarwirtschaft aufzubauen. Daneben gibt es Grassroots-Initiativen wie Rent A Huhn in Nürnberg, die Patenschaften für Hühner anbieten und modellhaft ökologische Landwirtschaft mit Inklusionsarbeit kombinieren. Dass die Warteliste für Hühnerpatenschaften dort auf über 140 angewachsen ist, ist ein deutlicher Indikator, dass das Konzept ein Erfolgsmodell ist, das hoffentlich viele inspirieren wird. Für den Bund Naturschutz Deutschland (BUND) sind die Hochleistungszüchtungen bei der Eierproduktion der Kern des Problems, dem man mit einem kompletten Umdenken von Konsument*innen und Produzent*innen am Besten begegnen könne. Denn für sie ethisch wünschenswert seien Zweinutzungshühner, also Hühner, die sowohl zur Eier- als auch zur Fleischproduktion genutzt werden können. Die männlichen Küken würden also nicht geschreddert oder ihre Eier aussortiert; sie könnten aufgezogen und ihr Fleisch vermarktet werden. Auch deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass Zweinutzungshühner nicht nur entspannter in Gruppen leben, so dass ihre Schnäbel nicht gekürzt werden müssten, und zudem generell gesünder sind, wodurch sie weniger Medikamente benötigen, was wiederum eine Einsparung bei der Antibiotika-Gabe bedeutet. Doch kosten Eier aus solidarischer Landwirtschaft oder Zweinutzungshuhn-Haltung eher um die 35 bis 50 Cent pro Stück. Katrin Wenz, Agrarexpertin beim BUND, verlangt nicht nur den konsequenteren Einsatz von Zweinutzungshühnern, sondern fordert: „Hierzu muss die Bundesregierung Forschungs-, Beratungs- und Umbaufördermittel bereitstellen.“
Fahrlässiges Versagen der Politik
Doch egal ob unter Christian Schmidt (CSU) oder Julia Klöckner (CDU): In der Willfährigkeit der Politik oft zugunsten der Agrarlobby ist wenig Platz für Tierwohlbedenken oder gar ein ökologisch und ethisch gebotenes Umdenken – als ob Massentierhaltungsfarmen, durchoptimierte Fleischzuchtmaschinen und voll-industrialisiertes Massenschlachten die jahrhundertealten Traditionen wären, die in idyllischen Motiven auf den Schachteln der Eierverkäufer prangen, und die von schollenverbundenen Großinvestoren so gerne bemüht werden. Aktuell wird der millionenfache Tod an wirtschaftlich wortwörtlich „wertlosem Leben“ im Sinne des Tierschutzgesetzes als „sinnvoll“ gerechtfertigt, um dem Götzen Mammon zu huldigen. Als Konsument*in, der/die sich infolge der Unterlassungen seitens Politik und Behörden von lokaler bis EU-Kommissionsebene täglich durch das Dickicht von Lebensmittelverseuchung und Lobbyismus, systematischem Etikettenschwindel und mangelnden Kennzeichnungen, zu laxen Kontrollen der technisch-organischen Eier- und Fleischfarmen und all die anderen miesen Tricks und Täuschungen kämpfen muss, kann man oft nur Verachtung übrig haben. Mehr als eine Million Menschen hierzulande distanzieren sich von dem System, das Tiere zur Ware degradiert, indem sie auf pflanzliche Kost umgestiegen sind und in den Produktionssystemen die Handlungsweisen nicht vorkommen – Tendenz steigend. Im ersten Schritt wäre es bei all den offenkundigen Missständen, Schluss zu machen mit der Ignoranz. Es müssen neue ethische (Mindest-)Standards her, denn ohne strengere Vorschriften, effektive Kontrollen und schmerzhafte Strafen scheint es nicht zu gehen.