Pflanzlich ins Neue Jahr

So gut wie jede*r schmiedet offenkundig oder heimlich ein paar gute Vorsätze für das neue Jahr. Erfahrungsgemäß ist es dabei ratsam, eine machbare Etappe nach der nächsten zu nehmen, statt sich unerreichbar hohe Ziele zu stecken. Die Kampagne hinter dem Veganuary hat diesen Gedanken aufgegriffen und lädt alle Neugierigen dazu ein, es doch mal vegan zu probieren. Und zwar vorerst einmal nur einen Monat lang.

Autorin: Jacqueline Flossmann

Unter dem Veganuary versteht man einengemeinnützige Organisation und Kam-
pagne, welche Menschen weltweit dazu ermutigt, sich probeweise vegan zu er-
nähren. Gegründet wurde das non-profit-Unternehmen im Jahr 2014 von Jane Land und Matthew Glover in England und erfreut sich jährlich über steigende Teilnehmer*innenzahlen. Das mag einerseits an einem grundsätzlich gesteigerten Interesse an einer pflanzlichen Ernährung liegen, an einem zunehmenden Bewusstsein darüber, wie sich die menschliche Ernährungsweise auf die Umwelt auswirkt, muss aber zuletzt auch auf das kreative und hilfsbereite Konzept der Veganuary-Macher*innen zurückgeführt werden. Diese klären auf der einen Seite zwar auf und kritisieren negative Aspekte wie die Massentierhaltung, wollen auf der anderen Seite aber vor allem den Veganismus weiter salonfähig machen und setzen dabei auf ein lockeres „Versuch doch mal“ statt auf den vorwurfsvoll erhobenen Zeigefinger. Ziel ist es, Menschen und Unternehmen – auch solche, die in der Kritik stehen – spielerisch von pflanzlichen Lebensmitteln zu überzeugen und so ein immer breiteres Angebot zu schaffen.

So geht’s
Jede*r Teilnehmer*in erhält nach Registrierung kostenlose Unterstützung bei dem pflanzlichen Probemonat. Es gibt ein Starter-Kit zum Downloaden, das u.a. praktische und leckere Rezeptideen enthält. Darüber hinaus helfen Motivationsmails und die weltweite Vernetzung über Social Media bei der Umsetzung. Wer sich 2022 auf der Website registriert, erhält digital Zugang zur neuen Edition des Veganuary-Promi-Kochbuchs, das Rezepte von u.a. Anne Menden, Bryan Adams, Ralf Moeller und vielen mehr bereithält. Der Veganuary fördert eine leichte und unbeschwerte Herangehensweise an den Veganismus fernab eines häufig immer noch vorherrschenden Narrativs des Verzichts. Die Aktion soll zeigen, wie einfach und lecker es sein kann, sich pflanzlich zu ernähren. Nützlich ist hierbei natürlich auch der Motivationsschub, den ein neues Jahr in Form von guten Vorsätze oftmals mit sich bringt. 2021 nahmen beispielsweise Stars wie Alec Baldwin oder YouTuber Rezo am Veganuary teil und verhalfen der Kampagne zu noch größerer Medienwirksamkeit. 2022 sind u.a. Timo Hildebrand sowie Eric Adams, Bürgermeister von New York, als Veganuary-Botschafter mit an Bord.

Großer Erfolg in 2021
Bei einer Umfrage von Veganuary, an der 8,960 Personen teilnahmen, stellte sich
heraus, dass 30% der Befragten nach dem Probemonat bei einer pflanzlichen Ernäh-
rung blieben, 38% gaben an, sich nun vorwiegend vegan zu ernähren. Hauptgründe für diese Entscheidung waren vor allem ein erhöhtes Wissen über pflanzliche Ernährung, die Erkenntnis, dass Veganismus leichter als gedacht umsetzbar ist, und auch, dass sich viele der Befragten mit einer pflanzlichen Lebensweise gesünder und fitter fühlten. Außerdem gaben 60% derjenigen, die vegan geblieben sind, an, dass sie nun aktiv versuchen, den Veganismus als angenehme, sinnvolle und nachhaltige Ernährungsgestaltung sichtbarer zu machen und so vermehrt andere davon überzeugen konnten.

Der Veganuary als wirtschaftliche Größe
Genauso wie das grundsätzliche Interesse am Veganismus zunimmt, verzeichnen auch die Macher*innen des Veganuary einen großen Zuwachs an Teilnehmer*innen. Alleine im Jahr 2021 machten weltweit 580.000 Menschen mit. Doch nicht nur auf privater Ebene wird viel bewegt, auch im Unternehmensbereich hat sich der Veganuary inzwischen als feste Größe etabliert. Im Januar 2021 wurden 825 neue Produkte gelauncht, zahlreiche Restaurants und Ketten integrieren seit Beginn der Kampagne zudem pünktlich zum Startschuss pflanzliche Gerichte auf ihren Speisekarten wie zuletzt beispielsweise Ikea, wo 2021 deutschlandweit unter anderem eine pflanzliche Variante des beliebten schwedischen Gerichts „Köttbullar“ eingeführt wurde. Firmen wie Rossmann, Thalia, McDonald’s, Lieferando, Discounter wie Penny und viele mehr waren ebenfalls mit von der Partie. Bei Lieferando wurden in diesem Rahmen im Januar 2021 die meisten veganen Bestellungen in der Geschichte des Unternehmens aufgegeben. Es wird also deutlich: Auch wirtschaftlich gesehen stößt der Veganuary zahlreiche Änderungen an und birgt großes Potential, weil er Unternehmen einen Rahmen und eine (Werbe-)Plattform eröffnet, um neue Produkteinführungen öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Um Firmen hierbei noch stärker zu unterstützen, gibt es ein Business-Toolkit, das Vorschläge und Hilfestellungen zur erfolgreichen Teilnahme an der Veganuary-Kampagne bietet. Auch für Unternehmen, die zusammen mit ihren Mitarbeitern am Veganuary teilnehmen wollen, hat das Team vorgesorgt mit der sogenannten Workplace-Challenge, die Organisationen, Institutionen, Universitäten und Arbeitgeber*innen zu einem veganen Verpflegungs-Monat ermuntern und dabei unterstützen soll.

Umwelt und Veganuary
Welche Folgen alleine ein einziger Monat haben kann, in dem die Teilnehmer*innen auf tierische Produkte verzichten, skizziert eine Datenerhebung der Harvard University Animal Law and Policy Programm. Hierfür wurden die Auswirkungen des Veganuary auf die Umwelt seit 2014 errechnet. Man kam zu dem Ergebnis, dass durch die pflanzlichen Monate bisher insgesamt etwa 103.840 Tonnen CO2-Äquivalent, etwa 405 Tonnen PO43-Äquivalent (Eutrophierung) in Gewässern, circa 6,2 Millionen Liter Wasser eingespart und gleichzeitig um die 3,4 Millionen Tiere weniger geschlachtet wurden.

Die Sache mit der Umwelt und der Politik
Alleine, dass eine einmonatige Umstellung auf pflanzliche Kost solch sichtbare Ersparnisse in den Bereichen Emissionen und Tierleid mit sich bringt, zeigt einmal mehr, wie unauflösbar ein Ernährungsstil inklusive tierischer Erzeugnisse mit der Umweltproblematik in Verbindung steht. Massentierhaltung beeinträchtigt das Gleichgewicht der Erde auf vielfältige Art und Weise. Für die Futtermittelerzeugung werden kostbare Wälder zerstört, die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern stößt sehr viel CO2 aus und verbraucht Unmengen an Wasser. Beim Wiederkäuen stoßen Rinder zudem Methan aus, ein Treibhausgas, das 28 mal schädlicher ist als CO2. Mindestens 15% der weltweiten Treibhausgasemissionen lassen sich direkt auf die Tierhaltung zurückführen. Und neben den ganzen nüchternen Zahlen und Fakten bleibt da natürlich das unsägliche Leid, das Millionen von fühlenden Lebewesen wider jeglicher Vernunft und Notwendigkeit zugefügt wird. Die Tierhaltung gehört zu den Hauptverursachern der menschengemachten Klimaerwärmung und wird trotzdem von Seiten der Politik weitgehend ignoriert. Sowohl im Pariser Klimaabkommen als auch in der jüngsten Klimakonferenz in Glasgow (COP26), die der Nachjustierung dienen sollte, wurde der schnelle und vor allem effektive Weg der Treibhausgasreduktion durch eine Umstellung der Landwirtschaft ausgeblendet. Statt sich auf eine Begrenzung von Massentierhaltung zu einigen, Obergrenzen zu stecken, eine Umwälzung zu fördern und vegane Unternehmungen zu unterstützen, wurden hier eher Ideen zur Innovation der Landwirtschaft diskutiert, die den Fokus weg vom eigentlich Problem – dem der Massentierhaltung und des schon lange eskalierenden Konsums tierischer Produkte– schoben. Trotz zahlreicher Studien und einer unmissverständlichen Faktenlage, einem offenen Brief, den die Macher*innen des Veganuary zusammen mit viele Wissenschaftler*innen unterzeichnet haben, sowie einer offiziellen Warnung und Aufforderung, die am 23. August von der „Humane Society International“ von zahlreichen Expert*innen unterzeichnet und in der Zeitschrift BioScience veröffentlicht wurde, erhielt die Problematik in Glasgow fast keine Aufmerksamkeit. Initiativen wie der Veganuary setzen da an, wo die Politik einen blinden Fleck zu haben scheint und treiben dieses so unsagbar wichtige Thema mit viel Geschick, Verständnis und Leidenschaft voran.


Darum Vegan!

Umweltfreundlich
Es ist kurz vor 12, wenn es um die Rettung des Planeten Erde geht. Wenn nicht schnell und flächendeckend an einem guten Klima gearbeitet wird, wird die Erde den Katastrophenfall ausrufen, da sind sich Wissenschaftler*innen einig. Eine der wichtigsten Stellschrauben stellt hierbei die Umstellung zu pflanzlicher Kost dar, da die Fleisch- und Milchindustrie einer der Hauptverursacher des Treibhausgasausstoßes ist. Sie verbraucht zudem horrende Mengen an Wasser, ist verantwortlich für die Rodung von Wäldern, Bodenerosion durch Monokulturen und die Verringerung der Artenvielfalt.

Tierlieb
Alleine in Deutschland wurden 2020 mehr als 759 Millionen Tiere geschlachtet. Die sogenannte Nutztierhaltung trägt nicht nur zum Voranschreiten des Klimawandels bei, sondern verursacht auch unsägliches Leid. Das bedeutet im Klartext: Wenig Platz, Mastfutter, Medikamentengabe und eine möglichst kurze Lebensdauer. Masthühner beispielsweise werden nur etwa sechs Wochen alt. Schweine, eine der klügsten Spezies unter den Säugetieren, werden nach etwa sechs Monaten geschlachtet.

Gerecht
Durch den Umweg über das Tier gehen zahlreiche Kalorien in der Nahrungsmittelproduktion verloren. Mit dem direkten Konsum von Pflanzen werden stattdessen Ressourcen geschont und mehr Kalorien aus derselben Ackerfläche gewonnen. Auf einer Fläche, die man für die Erzeugung von vier Gramm Rindfleisch benötigt, könnte man 100 Gramm pflanzliche Nahrung mit vergleichbarem Eiweiß- und Kaloriengehalt anbauen. Ein veganer Lebensstil ist auch gerechter als der Konsum tierischer Produkte. Schätzungen zufolge könnte man mit pflanzlicher Kost an die 350 Millionen Menschen zusätzlich ausgewogen ernähren.

Gesund
Eine ausgewogene vegane Ernährung bringt zahlreiche positive Auswirkungen auf den Körper mit sich. Das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Adipositas oder Bluthochdruck kann sich verringern. Rheumatoide Arthritis kann durch eine Ernährungsumstellung gelindert werden.

Lecker
Pflanzliche Kost ist nicht nur umweltfreundlich, tierlieb, gerecht und gesund, sondern obendrauf auch noch schmackhaft, abwechslungsreich und frisch. Sie birgt tolle Geschmackspotentiale, lädt dazu ein, sich auf etwas Neues einzulassen und dabei vielleicht bis dato unbekannte Aromawelten kennenzulernen. Aus Obst, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchten, Saaten und Wurzeln lassen sich die wunderbarsten Köstlichkeiten zubereiten. Von gut-bürgerlich und deftig bis hin zur filigranen Haute Cuisine ist alles möglich.

Einfach
Dass ein veganer Lebensstil nur schwer im Alltag umsetzbar ist, gehört heute der Vergangenheit an. Pflanzliche Kost in allen Formen und Farben – vom leuchtenden Biogemüse am Marktstand bis hin zum veganen Convenience-Food im Discounter – ist mittlerweile so gut wie überall erhältlich. Das Angebot wird immer größer. Eine breite Palette an tollen Ersatzprodukten erleichtert vielen Interessierten den Einstieg, Labels wie die Veganblume auf zahlreichen Produkten vereinfachen die Navigation durch die Einkaufswelt, vielfältige Rezeptideen beweisen, wie simpel schmackhafte vegane Gerichte zu bewerkstelligen sind.

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