Daten Veganer*innen anders? Ein Selbstversuch

Daten Veganer*innen anders? Ein Selbstversuch

„Tofu küsst Steak“ heißt ein Kochbuch, das Vegetarier und Fleischfans gemeinsam an einen Esstisch bringen soll. Wem aber aus Gewissensgründen das Herz blutet angesichts der Rinderlende auf dem Nachbarteller, der wünscht sich häufig einen Partner, der ebenfalls auf Schnitzel & Co. verzichtet. „Vegetarisch-veganes Dating“ bietet daher die Partnerbörse Gleichklang. Daten Veganer*innen anders? Ein Selbstversuch.

Zu „anders“ für die Liebe? Wer bindungsbereit ist, aber unter „Normalos“ nicht partnerfündig wird, für den gibt es in Zeiten zunehmender Individualisierung eine Reihe von Spezialangeboten. Bauern etwa nimmt schon seit geraumer Zeit ein Fernsehsender vermittelnd an die Hand; unter www.jobsingles.de kann sich vom Polizisten über den Bäcker bis hin zur Medizinerin jeder Paarungswillige arbeitszeitkompatible Gefährten suchen. Berliner Singles treffen sich speed-datend zur Trabi-Safari; es gibt Dating-Portale für Mollige, Großgewachsene, Esoteriker, Elitäre, Alleinerziehende, Senioren, Swinger, Deutschrussen, Muslime, Schwerhörige oder Menschen mit Hautproblemen. Und und und. Kein Wunder also, dass auch Veggies längst als Zielgruppe der Partnervermittler entdeckt wurden. „Vegetarisch-veganes Dating“ verspricht z.B. Gleichklang (www.gleichklang.de), und was sich zunächst etwas ungut nach „Freak-Stempel“ anfühlt, ergibt bei näherem Hinsehen durchaus Sinn. Natürlich existieren reihenweise funktionierende Partnerschaften zwischen Allesessern und Veggies, doch ein gewisses Konfliktpotenzial lässt sich bei vielen solcher Verbindungen nicht leugnen. Denn oft geht es ja um deutlich mehr als unterschiedliche kulinarische Vorlieben, die leicht durch eine Pfanne mehr auf dem Herd befriedigt werden können. Wer tierische Lebensmittel vom Speiseplan streicht, tut dies meist aus Überzeugung. Zuzusehen, wie der eigene Partner regelmäßig Dinge tut, die einem selbst zutiefst widerstreben, fällt oft schwer und wirft besonders nach Abflauen der Rosarot-Phase die Frage auf: „Wen liebe ich da eigentlich?“

Nun waren meine Ex-Partner allesamt Fleischesser, doch die Beziehungen sind aus anderen Gründen auseinandergegangen. Einen Versuch wäre Gleichklang dennoch wert, dachte ich mir, zumal mich auch weitere Aspekte der „alternativen Kennenlern-Plattform für naturnahe, umweltbewegte, tierliebe & sozial orientierte Menschen“ ansprechen. Seit sieben Jahren partnerlos, hatte ich mich aus Neugier schon auf anderen Partnerbörsen herumgetrieben und dabei trotz netter Begegnungen immer wieder das Gefühl gehabt: So ganz passe ich da nicht rein. Alles zu … wie soll ich sagen … klassisch? Ich sehne mich nicht nach einem „Versorger“, zu dem ich „aufsehen“ kann und der mir täglich Schöne-Augen-Komplimente macht, sondern habe einen Hang zum Hippieesken und will eine Art „besten Freund plus Kribbeln“ zum Nächte durchdiskutieren und Spaß haben. Vielleicht gibt’s da unter Veggies mehr potenzielle Kandidaten?

„Ökologisch-ethisch orientiert“, „Wertschätzung, Akzeptanz und Toleranz für alle legitimen sexuellen Orientierungen und Beziehungsbedürfnisse“ – Schlagworte aus der Gleichklang-Selbstdarstellung, die mir sympathisch sind und meinem Wunsch nach einer toleranten, nicht gleichgültigen Gesellschaft entsprechen. Dass ca. 25 Prozent der Portal-Mitglieder vegetarisch und fünf Prozent vegan leben – umso besser. Die Optik der Seite gefällt mir dagegen weniger, doch letztlich zählen ja die inneren Werte. Als Neumitglied muss ich mich zunächst durch eine Reihe von Fragen kämpfen, anhand derer später Vermittlungsvorschläge für mich ausgewählt werden. Schon hier zeigen sich Unterschiede zu konventionellen Dating-Börsen. Hätte ich Probleme damit, wenn mein Partner gerne Damen-Unterwäsche trägt? Kann ich mir eine Partnerschaft mit einem intersexuellen Menschen vorstellen? Oder mit einem Künstler ohne geregelte Arbeitszeiten? Wie stehe ich zu BDSM (= „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“)? Will ich mich gemeinsam mit meinem Partner mit spirituell-esoterischen Themen auseinandersetzen oder mit ihm FKK praktizieren? Akzeptiere ich, dass er Amphibien oder Spinnen als Haustiere hält? Wie ist meine politische Haltung in Bezug auf Umweltschutz, Strafjustiz, Kirche usw.? Ähm, öh … puh. Um meinem Selbstbild als tolerantes Wesen zu entsprechen, verteile ich großzügig Offenheits-Punkte, was vor allem in einem Aspekt entscheidend ist, wie sich später noch zeigen wird.

Offenbar sind meine Ansprüche weniger freakig als angenommen, denn die ersten Vorschläge seitens Gleichklang folgen schnell. Wählt man bei anderen Portalen aus einem riesigen Mitglieder-Pool, kann bei Gleichklang nur angeschrieben werden, wer einem vorgeschlagen wird. Die ersten Kontakte lesen sich vielversprechend. Kaum nichtssagende Floskeln à la „suche Frau zum Pferdestehlen“, stattdessen werden die Mitglieder sowohl in ihrer Selbstdarstellung als auch in ihren Mails schnell persönlich. Zu den ersten Kontakten gehört Sigi*, 37, der prompt ein Veggie-Klischee erfüllt – das vom Asketen. Zentral ist für ihn, dass eine potenzielle Partnerin Veggie ist – damit kann ich dienen –, die Natur liebt – okay –, ihr Handy für eher unwichtig hält und möglichst keinen oder wenig Alkohol trinkt. Da wird’s kniffelig, denn ich bin erklärte Weinliebhaberin und werde leider nervös, wenn ich mein Telefon mal daheim liegen lasse. Nun komme ich mir dabei zwar gruselig süchtig vor, dennoch – mein Gefühl sagt, dass das schwierig werden dürfte mit Sigi und mir. Nach meiner Mail sieht er das genauso und wünscht mir freundlich viel Erfolg.

Des Weiteren folgen – und das überrascht mich – zahlreiche Anfragen aus dem BDSM-Bereich. Na huch, das war für mich eigentlich eine Frage unter vielen, bei der ich eben nicht gleich „Nein, um Gotteswillen“ angeklickt hatte, sondern sinngemäß „Joa, warum nicht, mal gucken“. Nun bin ich doch etwas perplex, als mir der erste Kandidat nach ein, zwei Mails bereits explizite Videos schickt und mir einen Termin für meine „Ersterziehung“ anbietet. Den sage ich dankend ab und maile lieber mit Jonas, 35, der seine Neigung zur Schmerzlust erst kürzlich entdeckt hat und auch am platonischen Gedankenaustausch interessiert ist. Andere Plattformen seien ihm zu pornografisch, ihn interessiere gerade der psychologische Aspekt an der Thematik, und so fand er sich bei einem Portal für offene Freigeister besser aufgehoben als bei diversen Sexkontakt-Seiten. Unserem ersten Telefonat folgt bald ein Treffen, bei dem das Gespräch zwar etwas zäh beginnt, aber bald in die Tiefe geht. Uns ist früh bewusst, dass aus uns kein Paar wird – dazu „ticken“ wir doch zu unterschiedlich –, der Kontakt aber hält, und beim zweiten Treffen erfahre ich einen interessanten Aspekt: Jonas ist aufgefallen, dass sich in der BDSM-Szene erstaunlich viele Vegetarierinnen herumtreiben – eine natürlich subjektive, aber doch spannende und erstaunliche Beobachtung, wie ich finde. Auch intelligent und gebildet seien die meisten dort, von einigen grobschlächtigen „Super-Doms“ mal abgesehen. Das erklärt womöglich den Zusammenhang, sind doch auch Veggies Statistiken zufolge meist belesen.

Belesen scheint auch das Gros der Gleichklang-Mitglieder zu sein, soweit ich das aus den recht reflektierten Mails und Telefonaten schließen kann. Die Kontaktaufnahme gestaltet sich langsamer als in gängigen Flirtportalen, der Briefkasten quillt weniger über, doch die Schreiben, die eintreffen, sind im Schnitt deutlich gehaltvoller als die „Gut siehst du aus, wollen wir uns mal treffen?“-Mails, die ich von anderswo kenne. Verliebt habe ich mich letztlich trotzdem „offline“. Als Fazit bleibt: Gleichklang mag eine große Vegetarier- und Veganerdichte aufweisen, ein ausschließliches Veggie-Dating-Portal ist es aber nicht. Jedoch: Hier scheinen sich überdurchschnittlich viele Menschen zu tummeln, die sich viele Gedanken über sich und ihre Umwelt machen. Und davon dürfte es nach meinem Geschmack ruhig noch einige mehr geben. Eine einjährige Mitgliedschaft kostet 84 Euro bzw. im Ermäßigungstarif 54 Euro. Letzterer ermöglicht es auch sozial schwächer Gestellten, auf die Suche zu gehen – nach Veggies und anderen Gleichklingenden. Pardon: -gesinnten.
* Alle Namen geändert.

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