Vegan unterwegs in Kambodscha: Bergeweise tropisches Obst und Gemüse und immer gut gelaunte, tiefenentspannte Menschen. Märkte in Südostasien sind einfach traumhaft schön. Oder?
Realitätscheck bei meiner Ankunft in Kambodscha: Ich rieche den Markt, noch bevor ich ihn sehe – ein Mix aus schwüler Luft, ranzigem Frittierfett, Motorradabgasen, muffigem Fleisch und überreifen Früchten. Angenehm ist anders. Auch meine Augen wissen nicht, wohin sie schauen sollen: Nur nicht den Blick von den Gemüseauslagen abschweifen, denn tote Fische und noch halb lebende Hühner reihen sich direkt neben Pak Choi und Bittermelonen.
Die Marktfrauen blicken gleichgültig drein, während sie ab und zu Fliegen von den seit Stunden in der Sonne brutzelnden Lebensmitteln verscheuchen. Viel Zeit zum Begutachten der Szenerie bleibt jedoch nicht. Gemütlich umherschlendern – Fehlanzeige. In der gefühlt zwei Meter breiten Gasse herrscht reger Verkehr, nicht nur Fußgänger sind unterwegs – vor allem Mopedfahrer quetschen sich durch den schmalen Gang von allen Seiten vorbei, halten ohne abzusteigen an den anvisierten Ständen und beladen sich mit den täglichen Einkäufen. Erster Gedanke nach nicht mal fünf Minuten im Marktgewusel: Nichts wie raus hier, Luft holen und Eindrücke verarbeiten.So geselle ich mich zu Expats, Flashpackern und digitalen Nomaden, die sich in klimatisierten, von Ausländern betriebenen Cafés vor der tropischen Hitze verstecken, Kurkuma-Soja-Latte schlürfen und Buddha-Bowls mit Superfoods speisen. Bis auf die Bedienung sehe ich in diesen hippen Cafés jedoch keine Einheimischen. Ich wage also einen neuen Markt-Anlauf, in der Hoffnung, die weniger touristische kulinarische Szene Kambodschas kennenzulernen. Nächste Station Streetfood – das soll ja in Asien bekanntlich lecker und vielfältig sein und bestimmt ist auch etwas für den Pflanzenkost-Freund dabei.
Lange lässt die Ernüchterung jedoch nicht auf sich warten. Betongraue Bällchen-Spieße aus Tierinnereien, krosse Heuschrecken oder Kakerlaken und gekochte Embryo-Hühnereier gehören zu den Favoriten der Straßenküchen. Entdecke ich doch mal eine Nudelsuppe mit Gemüse, ist sie mit den Lieblingsgewürzen der Kambodschaner verfeinert: Fischsauce, getrockneten Schrimps, Hühnchenpulver und Glutamat. Da hilft nur noch Selberkochen. Und dafür tauche ich erneut in das tropische Markttreiben ein.
Die Nahrungsjagd wird zur Schatzsuche. Ich lerne, dass es Mangos nur dann gibt, wenn sie Saison haben und dass Kokosmilch nicht aus der Dose kommt. Die macht nämlich die Marktfrau an der eigentümlichen Maschine, indem sie das Fruchtfleisch damit im Handumdrehen in grobe Raspel verwandelt und aus diesen mit vollem Krafteinsatz die cremige Milch herauspresst. Während ich mich durch das Marktlabyrinth schlängle, verschnaufe ich kurz bei dem Herrn, der Zuckerrohrsaft presst. Die perfekte Abkühlung!
Mit etwas Glück finde ich auch den kleinen Stand der alten Dame, die an manchen Tagen selbstgemachte Bananenblatt-Päckchen verkauft. Mit noch mehr Glück erwische ich ein Exemplar mit Kokos-Kürbisraspel-Klebreisfüllung statt derer mit Fleisch. Beim Hinausgehen sehe ich noch die junge Obstverkäuferin, die ihr Baby nebenher in der Hängematte wiegt und kaufe ihr einige der cremigen Zimtäpfel ab. Zu der modrigen Geruchssymphonie gesellt sich auf dem Heimweg ein feiner Duft von Jasmin und Frangipani. So finde ich sie schließlich doch noch: die bereits verloren geglaubte Marktromantik.
Info:
Anna Plumbaum lebt seit Anfang 2016 mit ihrem Mann und ihrer Katze in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh. Dort stellt sie sich der Herausforderung, die fisch- und fleischlastigen Gerichte Südostasiens vegetarisch und vegan neu zu interpretieren.