Technikschrott – Konsum in alle Ewigkeit?

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Geplante Obsoleszenz: Warum Nachhaltigkeit und Wachstumsideologie einander ausschließen.

 

Von: Alexander Nym

 

Die frisch geölte Nußbaumtischplatte glänzt in der sommerlichen Nachmittagssonne. Der angehende Schreinermeister Oliver K. räumt sein Werkzeug zusammen, um für heute Schluss zu machen. Der Kontrast zwischen dem jungen Mann mit den Tätowierungen und dem offensichtlichen Alter des Hobels, den er zur Aufbewahrung in ein Ledertuch wickelt, ist frappierend: Generationen von Schreinern vor Oliver K. haben das Werkzeug schon ausgiebig benutzt, was an dem abgegriffenen Holzhenkel und den nachgedunkelten Metallteilen auch für den Laien deutlich erkennbar ist. „Ich benutze die Werkzeuge meines Großvaters“, sagt der fähige Handwerker, „und der hat sie auch schon von seinem Vorgänger vererbt bekommen. Das, was man heutzutage in Baumärkten angeboten bekommt, taugt einfach nichts.“ Insbesondere bei Geräten, die hoher Belastung standhalten müssen, machen sich Qualitätsunterschiede bemerkbar: bei Sägen und Hobeln, aber auch Feilen und sogar Hämmern.

 

Eine neu gekaufte Säge oder Feile aus dem Heimwerkermarkt kann ich ein paar Mal benutzen, dann sind sie hin. Die sind gar nicht auf Dauerbenutzung oder professionelle Beanspruchung ausgelegt. Die Geräte, mit denen schon mein Großvater gearbeitet hat, sind dagegen bis heute verwendbar. Sie benötigen ein wenig Pflege, müssen aber nicht ständig ausgetauscht werden.“ Nun könnte man einwenden, solche Beschwerden seien nichts als Nostalgie; die Sehnsucht nach vergangenen, unkomplizierteren Zeiten, und seien übertrieben. Aber Oliver K. ist mit seinen Beobachtungen nicht alleine. Jens B. etwa wollte sich vor ein paar Jahren selbst ein großes Geschenk machen und kaufte sich eine neue Stereoanlage. Der alte, zehn Kilo schwere Röhrenverstärker (Baujahr: irgendwann in den 1970er Jahren) wanderte in den Keller und wurde eingemottet – jedoch nicht für lange, denn das neue Gerät zeigte nach relativ kurzer Betriebsdauer die ersten Anzeichen von Ermüdung: „Tastenkontakte funktionierten erst unzuverlässig, dann gar nicht mehr; manchmal fiel das Gerät wegen Überhitzung einfach aus; die Regler verschmutzten schnell, denn wann immer ich versuchte, an ihnen irgendwas einzustellen, kratzte und krachte es in den Boxen. Und das, obwohl das Gerät nicht gerade billig war.“ Die meisten von uns kennen solche Geschichten: Der Nachbar, dessen neuer Rasenmäher die Arbeit verweigert. Das Montagsauto. Das Küchengerät, das wundersamerweise kurz nach Ablauf der Garantiezeit die Funktion einstellt. Alles nur Zufall?

 

Was ist geplante Obsoleszenz?

 

Im Jahr 2012 zeigte Arte die Dokumentation „Kaufen für die Müllhalde“, welche das Problem mit fehleranfälligen Konsumgütern aufgriff und auf die sogenannte „geplante Obsoleszenz“ zurückführte. In der Folge tauchte der Begriff auch in anderen Medien auf; eine öffentliche Diskussion entsponn sich. Doch was ist das überhaupt, „geplante Obsoleszenz“? Der Begriff „obsolet“ dürfte den meisten geläufig sein: Obsolet zu sein, heißt, ein Auslaufmodell zu sein, unmodern, aus der Mode gekommen, von gestern. Wann ein Produkt obsolet ist, entscheidet für gewöhnlich der Markt, also die Kundschaft. Hauptmotor der Obsoleszenz ist der technische Fortschritt: Die Einführung neuer Technologien begünstigt die Ausmusterung ihrer Vorgänger. Wer sich etwa in den 80er und 90er Jahren mit VHS-Kaufvideos eingedeckt hat, musste die Sammlung im Zeitalter der DVD erneuern, danach wurden Blu-ray Discs zum neuen Standard. In Anlehnung an den Medientheoretiker Marshall McLuhan könnte man sagen: Das Medium ist nicht nur die Botschaft, sondern auch der Markt. Mit den explosionsartig voranschreitenden Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie in den vergangenen 50 Jahren beschleunigten sich auch die Lebenszyklen ihrer Produkte. Versuchen Sie mal, eine E-Mail mit einer Triumph-Adler-Schreibmaschine zu verschicken – Schreibmaschinen sind im digitalen Zeitalter überholt und unbrauchbar, interessant nur noch für Museen und vereinzelte Liebhaber. Andererseits werden Sie kaum einen Computer finden, der so lange zuverlässig und funktionstüchtig bleibt wie eine klassische Schreibmaschine. Trotzdem gilt: Unabhängig von ihrer Lebensdauer und Qualität ist sie heute ebenso ein entwicklungsgeschichtliches Relikt wie Weisheitszähne, Pferdedroschken oder Monokel – prinzipiell funktionstüchtig, aber in unserer hyperfortschrittlichen Gesellschaft vollkommen
anachronistisch. Dasselbe gilt für Walkie-Talkies, Plattenspieler, Videorecorder, Spielekonsolen und allgemein Unterhaltungselektronik aus der digitalen Steinzeit. Auch wenn es hie und da Leute gibt, die die überkommenen Geräte bevorzugen: Der Massenkonsum entscheidet über die großen Warenströme und die Entwicklungsrichtungen, die sie einschlagen.

 

Doch was hat es zu bedeuten, wenn die Obsoleszenz eingeplant ist? Wenn nicht mehr die Kaufentscheidung der Konsumenten das Maß der Verbrauchernachfrage ist, sondern von Herstellerseite aus eine Art geheimes Haltbarkeitsdatum mitgeliefert wird? Hersteller wollen ihre Waren verkaufen, und um dies möglichst ununterbrochen zu erreichen, müssen die Verbraucher entweder immer neue, frisch auf den Markt gekommene Innovationen erwerben, oder ihre alten Konsumgüter durch neue ersetzen. Design und Marketing sind verantwortlich dafür, dass dies in großem Stil geschieht, etwa durch die Einführung neuer Handy-Modelle. Wer das Mobiltelefon nicht nur für den Gebrauch, sondern auch als Statussymbol benutzt, wird sein scheinbar veraltetes Gerät eher gegen ein neues austauschen, auch wenn die Funktionsdauer des Vorgängers noch lange nicht ausgeschöpft ist. (…)

 

 

 

Den ganzen Artikel gibt es ab Seite 18 in der Oktober/November-Ausgabe 2015, die Sie hier bestellen können. Alle Hefte schicken wir Ihnen portofrei zu.

 

 

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