Tierfamilien: Von Muttersöhnchen bis Sklaventreiberinnen

Patchwork-Familie, klassische Rollenverteilung und verhätschelte Kinder – im Reich der Tiere ist so gut wie alles möglich …

Südlich des Kongos, im Dickicht des tropischen Regenwaldes, reckt ein Bonobo-Weibchen neugierig den Kopf, um dem lautstarken Gezeter in einiger Entfernung auf den Grund zu gehen. Leicht verwirrt blickt es drein, denn große Streit- und Machtkämpfe gibt es unter den Bonobos tatsächlich nur selten. Im Gegensatz zu den Schimpansen dominiert hier nicht etwa das stärkste Tier, vielmehr sorgt eine matriarchalische Gemeinschaftsform für Frieden im Dschungel. Wie das funktioniert? Aus einer sogenannten Fission-Fusion-Gesellschaft, die aus ca. 40-120 Individuen besteht und in der die Weibchen die Führungsposition übernehmen, bilden sich kleine Bonobo-Kollektive heraus, die eigenständig agieren, aber auch immer wieder zueinander finden können. Das neugierige Weibchen hat mittlerweile herausgefunden, wer der Zankhahn ist, der Unruhe ins Geäst bringt: ihr eigener Sohn! Auch wenn dieser schon längst ausgewachsen ist, wird er wie alle anderen Männchen für immer in seiner Geburtsgruppe bleiben und ein enges Verhältnis zu seiner Mutter pflegen. Wer der Vater ihres kleinen Raufboldes ist, weiß diese allerdings selbst nicht so genau, denn im Dschungel herrscht freie Liebe: Unabhängig von Alter, Geschlecht und Rang werden hier permanent Zärtlichkeiten ausgetauscht. Spannungen, Aggressionen und Konflikte werden dementsprechend frei nach dem Motto „Make love not war“ gelöst. Zufrieden darüber, dass das Geschrei sich gelegt hat, widmet sich das Bonobo-Weibchen wieder seiner Artgenossin und setzt die Fellpflege fort. Soziale Kontakte stehen schließlich an oberster Stelle …
Neben geschlechtlich gemischten Kommunen und alleinerziehenden Müttern finden sich aber auch zahlreiche klassische Familienmodelle à la Vater, Mutter, Kind und monogame Beziehungen im Tierreich wieder. So halten sich beispielsweise Schwäne, Biber und Rotfüchse in den meisten Fällen die ewige Treue, Wölfe und Löwen leben in Rudeln, die von traditionellen Mustern geprägt sind.
So bunt und vielfältig wie die Tierwelt selbst ist auch ihr Familienleben, das bisweilen unsere alteingesessenen Rollenmodelle ganz schön auf den Kopf stellen kann, ihn abwägend nicken oder aber entschlossen schütteln lässt …

Wölfe: Mutter, Vater, Kind

Unter Wölfen geht das bürgerliche Klischee von „Vater, Mutter, Kind“, also einem heterosexuellen Paar, das mit dem eigenen Nachwuchs zusammenlebt, voll und ganz auf. Vater und Mutter Wolf leben bis zu ihrem Tod in einer monogamen Beziehung miteinander und besiedeln ein Territorium, das von ihnen streng verteidigt wird. Gemeinsam mit ihrem Nachwuchs, der aus den älteren Jährlingen sowie den jungen Welpen besteht, bilden sie ein sogenanntes Wolfsrudel. Dabei unterstützen die Jungwölfe ihre Eltern in der Aufzucht der Welpen so lange, bis sie selbst geschlechtsreif sind, das Rudel verlassen und sich auf die Suche nach einem Partner/einer Partnerin und einem eigenen Territorial begeben. Die Rudelstruktur von frei lebenden Wölfen kann übrigens in keinster Weise mit der von in Gefangenschaft, also in Zoos oder Wildparks lebenden Wölfen verglichen werden. Da Jungtiere hier nicht die Möglichkeit haben abzuwandern, um sich ein eigenes Revier und einen Partner zu suchen, entstehen Hierarchien, die aus Alpha-, Beta- und Omega-Wölfen bestehen. Streitigkeiten um die Rangordnung oder das Recht auf Fortpflanzung gibt es in der freien Natur nicht, regeln sich diese möglichen Konfliktpotenziale doch wie von selbst. In Gefangenschaft allerdings müssen Vorrechte durch langwierige Hierarchie-Kämpfe ausgefochten werden.

Kaiserpinguine: gerechte Arbeitsteilung

Kaiserpinguine sind wohl ein Musterbeispiel dafür, was man eine gerechte Arbeitsteilung nennt. Haben sich die Liebenden gefunden, gepaart und das Weibchen ein Ei gelegt, beginnt im wahrsten Sinne des Wortes ein Eiertanz. Behutsam übergibt das Weibchen dem Männchen das Ei, das auf dessen Füßen abgelegt und mithilfe einer speckigen Bauchfalte gewärmt wird. Ein unachtsamer Schritt genügt, das Ei rollt von den Füßen und der Embryo stirbt sofort ab. Vorsicht ist also geboten und so rücken die Pinguinmännchen in der Brutphase eng zusammen, um sich warm zu halten und die Eier vor Wind und Kälte zu schützen. Das Weibchen kehrt unterdessen zurück ins Meer – abgemagert und ausgezehrt sucht es dort nach Nahrung für sich selbst und ihren Nachwuchs. Nach etwa zwei Monaten Brutzeit schlüpft das Küken in der väterlichen Obhut und wird zunächst mit einem Nährsekret aus dem Magen des Männchens gefüttert. Wenig später kehrt die erholte Mutter aus dem Meer zurück, vorverdauten Fisch mit im Gepäck. Mutter und Vater wechseln sich nun mit der Aufzucht des Kükens ab. Während das Weibchen den Nachwuchs mit dem Fischvorrat versorgt, beginnt die Meereswanderung der Männchen, die ebenfalls eine Stärkung nötig haben. Je größer und stärker die Küken werden, desto eigenständiger werden sie auch und bilden mit anderen Jungtieren kleine Grüppchen. Sie stehen, wie zuvor die Männchen, eng beisammen, um einander zu wärmen und warten auf die Rückkehr ihrer Eltern, die sie weiterhin mit Nahrung versorgen. Sind die Küken alt genug, werden sie von ihren Eltern verlassen und sind nun dazu bereit, selbst auf Fischfang zu gehen und eine eigene Pinguin-Familie zu gründen.

Elefanten: all the single ladies

Eine Elefantenherde setzt sich aus geballter Frauenpower zusammen: Eine erfahrene Leitkuh, Elefantinnen im besten Alter und Elefantenmütter mit ihren Kälbern bilden eine Herde, die ihr Leben lang als Familienbund bestehen bleibt. Während die Männchen zu Einzelgängern werden, sobald sie die Geschlechtsreife erlangen und nur zur Brunftzeit zu Herden hinzustoßen, bleiben die Damen stets zusammen und bilden ein aufeinander eingespieltes Team. Als das Tier mit der größten Erfahrung führt die Leitkuh die Herde zu Futter- und Wasserstellen, legt die Wanderrouten fest und übergibt ihr Wissen so von einer Generation an die nächste. Da es sich bei Elefanten-Herden um individualisierte Verbände handelt, die Tiere einander also gut kennen, bedeutet der Tod eines Herdentieres einen starken Verlust für die Gruppe. Die sensiblen Dickhäuter verweilen oft tagelang bei dem Kadaver und trauern um das Familienmitglied. Kommt aber ein Elefantebaby zur Welt, so eilen alle Herdenmitglieder freudig herbei, bilden einen schützenden Kreis um die werdende Mutter und assistieren bei der Geburt. Das Elefantenkind bleibt ungewöhnlich lange bei der Mutter und genießt außerdem den Schutz seiner Verwandten. Die enge Bindung zwischen dem Muttertier und dem Elefantenkind kann noch weit über das Erwachsenenalter hinaus reichen.

Gibbons: die Kirschen in Nachbars Garten

Das Familiengefüge der Gibbons ist ebenso wie bei den Wölfen ein eher klassisches. Hat ein Gibbon-Paar sich gefunden, so wird es bis auf Einzelfälle sein ganzes Leben miteinander verbringen und sich gemeinsam um die Aufzucht des Nachwuchses kümmern. Alle zwei bis drei Jahre bringt das Weibchen ein Jungtier zur Welt, das sich zunächst an den Bauch der Mutter heftet und später auch in die Obhut des Vaters wechselt. Mit acht bis neun Jahren tritt die Geschlechtsreife ein und die Jungtiere begeben sich auf die Suche nach einem eigenen Partner. Beizeiten werden besonders sesshafte Nesthäkchen sogar mit Nachdruck der Eltern verjagt und vor die Tür gesetzt. Auch wenn der romantisierte Glaube daran, dass Gibbons einander ihr Leben lang treu sind und in einer streng monogamen Beziehung leben, sich lange hartnäckig gehalten hat, so weiß man heute, dass sowohl auf Seiten des Weibchens als auch auf Seiten des Männchens der ein oder andere Seitensprung keine Seltenheit ist. Kommt das Stelldichein mit einem Nachbarn ans Tageslicht gibt es bisweilen lautstarken Krach und blutige Revier-Kämpfe. Aber auch eine Ménage-à-trois wurde bei den Gibbons schon häufiger beobachtet …

Orcas: Die Muttersöhnchen der Meere

Der Familienbund einer Orca-Gemeinschaft besteht in der Regel aus der Mutterkuh, ihren Kälbern, Jungtieren und den Kälbern der weiblichen Jungtiere. Schwertwale schwimmen und jagen ihr Leben lang in ihrer Familie und bewegen sich nur sehr selten, wenn überhaupt nur für wenige Stunden von der Mutter fort. Diese kann im Übrigen stolze 90 Jahre alt werden und kümmert sich bis zu ihrem Tod sowohl um den eigenen Nachwuchs als auch um den ihrer Jungtiere. Paart sich ein männlicher Orca, so wird dieser seinen Nachwuchs nie zu Gesicht bekommen, denn die Schwiegertochter in spe kehrt zu ihrer eigenen Familie zurück und wird dort das Baby in die Obhut der weiblichen Familienmitglieder geben. Im Gegensatz zu ihren Schwestern sind männliche Orcas voll und ganz auf die Pflege durch ihre Mutter angewiesen und stehen in einem absoluten Abhängigkeitsverhältnis zu ihr. Während weibliche Orcas auch nach dem Tod der Mutter noch ein stolzes Alter erreichen können, steigt die Wahrscheinlichkeit des Todes für den Sohn nach dem Ableben der Mutter extrem an. Das Verhätscheln der männlichen Nachkommen – Hilfe bei der Nahrungssuche und die Abwehr von Gefahren – hat aber seinen Sinn: Orca-Männchen können bis ins hohe Alter hinein noch zeugungsfähig sein, im Gegensatz zu den Weibchen, die schon sehr früh in die Wechseljahre kommen. Vor allem über die männliche Linie kann also das Erbgut der Schwertwal-Familie verbreitet werden, weshalb deren Unversehrtheit sehr wichtig ist.

Seepferdchen: Wenn Männer Kinder bekommen

Was Krämpfe und Wehen bedeuten, wissen Seepferdchenmänner ganz genau! Nach einem heißen und farbenfrohen Liebestanz im Seegras legt das Weibchen mithilfe einer penisartigen Röhre ihre Eier in die Bauchtasche des Männchens, wo sie mit Spermien befruchtet werden. Unter väterlicher Fürsorge werden die Eier dort mit Sauerstoff und wichtigen Nährsubstanzen versorgt. Ca. zehn bis zwölf Tage dauert die Schwangerschaft, dann presst das Männchen seine Nachkommen heraus und die jungen See­pferdchen sind auf sich selbst gestellt. Für Mama und Papa ist dann aber noch lange nicht Schluss! Seepferdchen, die meist in einer monogamen Beziehung leben, können nur schwer voneinander lassen und so kommt es nur wenige Tage nach der Geburt zu einem erneuten Liebesspiel. Ist das Männchen wieder trächtig, begrüßt das Weibchen es jeden Morgen mit einem Ritual: Die Pferdchen tänzeln umeinander und liebkosen sich, bevor sie sich getrennt voneinander auf den Weg nach Krebsen, Zooplankton und anderem Getier machen.

Ameisen: königliche Sklaventreiberinnen

Ameisen bilden keine Familien, sondern Staaten, die von ein paar hundert Mitgliedern bis hin zu 20 Millionen Tieren reichen können. Gibt es nur eine einzige Königin im Ameisen-Staat, dann wird dieser mit dem Tod der Königin aussterben. Ein typischer Insektenstaat besteht aus sogenannten Kasten: Arbeiterinnen, Soldatinnen und Königinnen. Ausgewachsene Männchen haben generell im Ameisenbau nichts zu suchen und lediglich die Aufgabe, die Königinnen und einige fortpflanzungsfähige Arbeiterinnen zu begatten, um die Produktion von Ameiseneiern zu sichern. Mit Blattläusen treiben Ameisen außerdem eine Art Ackerbau und Viehzucht. Die kleinen Insekten werden zu Blättern getragen, gemolken und, solange sie noch am Leben sind weiter ausgebeutet. So gerne man auch etwas anderes behaupten würde, aber die die kleinen Nützlinge sind nun wirklich alles andere als sympathisch, denn auch Sklavenhaltung und Mord kommt in den Ameisenstaaten nicht zu kurz. Gerade in kleineren Lebensgemeinschaften kann es mitunter vorkommen, dass sich die Königin Sklavinnen hält und sie nach der Ei­ablage mit ihrem mächtigen Mundwerkzeug umbringt. Die Brut hingegen wird am Leben gelassen, um neue und willige Sklavinnen heranzuzüchten. Ein berauschender Duftstoff, den die Königin aussendet sorgt außerdem für strengen Gehorsam und dafür, dass die Untertanen ihrer Königin verfallen sind.

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