Hat der Wintersport noch eine Zukunft?

Ökosystem Alpen: Die Expertin Kathrin Struller im Interview

Interview mit Kathrin Struller, Alpenreferentin des LBV

Kathrin Struller, Alpenreferentin beim LBV
(c) Kathrin Struller

Die Geo- und Ingenieurökologin Kathrin Struller hat ihre Liebe zu den Bergen während des Studiums entdeckt. Die begeisterte Bergsteigerin und Kletterin arbeitet als Referentin für den Alpenraum beim Landesbund für Vogelschutz e.V. (LBV), der seit über 100 Jahren im Arten- und Biotopschutz aktiv ist. Kathrin Struller ist für die Koordination und Durchführung diverser Naturschutzprojekte im bayerischen Alpenraum zuständig.

Welche Probleme treten durch die künstliche Beschneiung von Pisten im alpinen Raum auf?

Beschneiung bedeutet eine künstliche Verlängerung der natürlichen Schneebedeckung. Diese hat zum einen Auswirkungen auf die Vegetation, zum anderen auf die Tierwelt und insbesondere auf den Wasserhaushalt. Hinzu kommt ein beträchtlicher Energie- und Ressourcenverbrauch. Wirklich problematisch wird allerdings erst ein hohes Maß an Beschneiung wie es beispielsweise notwendig ist, um die Saison auch bei steigenden Temperaturen in die Länge zu ziehen. Die eigentliche Problematik liegt darin, nicht mit den natürlichen Veränderungen zu gehen, sondern diesen künstlich entgegenzuwirken.

Um die Wassermassen für eine künstliche Beschneiung heranzuschaffen, werden vielerorts Speicherbecken angelegt …

Der Bau eines Speichersees stellt einen massiven Eingriff in die Natur dar. Viele Menschen nehmen das auf den ersten Blick nicht wahr und empfinden die Seen, die oftmals eine sehr schöne, türkise Farbe haben, als eine visuelle Bereicherung. Fakt ist allerdings, dass solche Seen möglichst unbelebt sein müssen – es dürfen sich also keine Fische oder andere Kleintiere darin aufhalten. Es handelt sich nicht um einen neuen Lebensraum der geschaffen wird, sondern um einen reinen Wasserspeicher. Auch die Wasserentnahme stellt ein Problem dar, denn hierdurch wird das Grundwassersystem vor Ort gestört.

Inwiefern leiden die Böden unter dem Wintersportbetrieb?

Durch ein permanentes Befahren und Planieren entsteht ein insgesamt höherer Druck und erwirkt damit eine Verdichtung des Bodens, was wiederum die Vegetation und den Wasserhaushalt beeinflusst. Wenn der Boden verdichtet ist, kann das Wasser nicht mehr so gut einsickern. Das schlägt sich dann übrigens auch in der Wasserqualität nieder. Diese weist vor allem in Skigebieten schlechtere Werte auf, weil der Boden das Wasser nicht mehr aufnehmen und filtern kann.

Wie geht die ansässige Tierwelt damit um, dass in ihrem Lebensraum Wintersport betrieben wird?

Es gibt verschiedene Tiere, die sich rund um Skigebiete aufhalten. Zu ihnen zählen Vögel, Rehe, Hirsche, Rauhfußhühner uvm. Für diese Tiere stellt das Überleben des Winters eine Herausforderung dar. Sie müssen Futter finden und mit ihrer Energie sparsam umgehen. Eingriffe in ihren Lebensraum können für solche Tiere lebensbedrohlich werden. An eine Piste kann sich das Tier allerdings mit der Zeit gewöhnen. Es weiß, wann der Lift in Betrieb ist und wann nicht. Es kommt durchaus vor, dass die Tiere sich nachts, wenn die Menschen verschwunden sind, auf den Pisten aufhalten. Genauso verhält es sich mit Wanderwegen. Problematisch wird es allerdings, wenn man sich nach Einbruch der Dämmerung oder abseits der Pisten aufhält. Tiere erschrecken sich dann schnell, flüchten und der aufzubringende Energiebedarf kann schließlich sogar zum Tod führen. Rauhfußhühner zum Beispiel graben kleine Höhlen im Schnee, sitzen dort und wärmen sich tagsüber auf. Diese Höhlen werden, bewegt man sich abseits der Pisten, schnell zerstört. Ein einzelner Freerider, der mal abseits der Piste fährt, ist zwar noch kein Drama, aber die Masse macht es … Man sollte sich also immer auf den ausgewiesenen Pisten und Wegen aufhalten.

Gibt es eine Möglichkeit, umweltfreundlich Wintersport zu betreiben?

Wie bei fast allen Dingen kommt es auch hier auf die Intensität an. Es spricht überhaupt nichts dagegen, im Winter Skifahren zu gehen – ich mache das auch gelegentlich. Es ist allerdings wichtig, neben dem Wintertourismus Freiräume zu erhalten, in denen Pflanzen sich entfalten und Tiere Zuflucht finden können. Dort, wo Wintersport stattfindet, sollte das in einem verträglichen Maß und nur an geeigneten Stellen sein. In Bayern gibt es beispielsweise den Alpenplan, der genau das regelt. Er teilt die Alpen in Zonen ein: In Zone A darf gebaut werden und hier können auch Skilifte stehen, andere Zonen wiederum sind gesperrt und nur für sanften Tourismus vorgesehen. Generell kann man sagen: Wenn es draußen 20 °C hat, dann ist die Beschneiung einer Piste ein massiver Eingriff und mehr als unnatürlich. Wo allerdings Schnee fällt und liegen bleibt, kann auch Skigefahren werden. Hier kann eine zusätzliche Beschneiung sogar günstig sein, da die darunterliegenden Pflanzen durch eine etwas dickere Schneedecke geschützt werden. Eine grüne Wiese hingegen sollte freilich nicht beschneit werden.

Hat der Wintersport angesichts der globalen Klimaerwärmungen noch eine Zukunft?

Da ist auf jeden Fall mit einer Veränderung zu rechnen – auch wenn das Viele noch nicht wahrhaben wollen. Gerade in den Alpen wird es weiterhin stärkere Temperaturerhöhungen geben. Es gibt zwar Skigebiete in den Hochlagen, die recht schneesicher sind und das auch noch für die nächsten Jahrzehnte bleiben werden, aber kleinere Gebiete überlegen sich teilweise Alternativen und bauen stellenweise sogar Lifte zurück. Stattdessen setzt man vermehrt auf den Wellness- und Genussbereich. Man wird sich langfristig gesehen auf jeden Fall umorientieren müssen …

Einen weiteren Beitrag zum Thema „Wintersport“ findest du hier.

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