Nicht nur Industrie und Forschung bedienen sich der Tiere ohne Skrupel. Auch die Kunst geht oft nicht zimperlich mit ihnen um. Es entspinnt sich die Kontroverse: Welche Rechte haben Tiere?
Über 80 Jahre ist das deutsche Tierschutzgesetz mittlerweile alt. Perfekt ist es nicht. Auch in den vergangenen Jahren wurde mit Zusätzen und Änderungen immer wieder nachgebessert, zum Beispiel im Hinblick auf Sodomie, Kastration bei Ferkeln oder auch auf die Einfuhr von Tieren aus dem Ausland. Immerhin: 2002 wurde das Tierschutzgesetz hierzulande in das Grundgesetz aufgenommen, um ihm mehr Gewicht zu verleihen.
In Großbritannien reicht die juristische Tradition des Tierschutzes sogar noch weiter zurück: Als erstes europäisches Land wurde hier schon 1822 vom britischen Parlament der sogenannte Martin’s Act erlassen: ein Verbot von Grausamkeiten gegenüber Tieren.
Doch auch die EU macht Vorschriften, wie mit Tieren umzugehen ist. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union heißt es in Art. 13, dass Union und Mitgliedsstaaten „den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung“ zu tragen haben. Zwar mit sofort folgender Einschränkung, denn „in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe“. Aber: Im Januar 2015 hat Frankreich das eigene Recht dieser Vorgabe angeglichen und Tiere als „sensible Lebewesen“ anerkannt. Und hier liegt eine echte Erneuerung in der juristischen Festlegung unseres Verhältnisses zum Tier, auch gegenüber den Gesetzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es geht um die Anerkennung tierischer Empfindsamkeit – und die rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden müssen.
Klar, dass das heiße Debatten nach sich zieht. Das arte-Kulturmagazin Square widmet diesen eine Sendung und gibt Beispiele für kontroverse Ansichten und Argumente, die hierbei auftauchen: Rechtsprofessor Régis Bismuth plädiert juristisch fundiert pro Tierrecht. Ganz anders Theaterregisseur Rodrigo García, eines der vielen enfants terribles der Performance-Szene. Er spricht sich gar für eine Kunst aus, die das Tier zum Gegenstand macht und auch dessen Qual und Tod akzeptiert – im Namen der Publikumserfahrung. In seinem Theater starben schon Hummer auf der Bühne: eine, so García, „interessante“ Darbietung und deswegen „gut“ für die Zuschauer.
García provoziert, steht aber mit solcher Ansicht in der Kunstwelt keineswegs alleine. Doch auch die Gegenseite argumentiert mit Provokation, zugunsten der Tierrechte. So sind grausame Praktiken wie Hahnen- oder Stierkampf in Ländern wie Spanien als Ausnahmen von der EU-Vorgabe erlaubt, weil sie als regionale Tradition gelten – ganz entsprechend der genannten Einschränkung laut EU-Recht. Absurd nennt dies Rechtswissenschaftler Régis Bismuth im Interview mit Square und hält dagegen: Dies könnte man auch auf andere Fälle anwenden, z.B. auf sexuellen Missbrauch. Schließlich habe auch der schon lange Tradition.
Die kurze, aber anregend kontroverse Folge des Kulturmagazins Square ist noch bis zum 15.03.2016 in der arte-Mediathek zu sehen.