Ist das so? Vegan im Check!

Fleisch aus Erbsen, Milch aus Hafer, Taschen aus Teakblättern – vegan ist angesagt. Doch manche Irrtümer über Veganismus halten sich hartnäckig. Wir nehmen die beliebtesten Mythen genauer unter die Lupe.

Von: Christoph Köglmaier

1. Vegan ist ungesund.
Während die einen davon überzeugt sind, dass der Verzicht auf tierische Produkte automatisch zu einem Nährstoffmangel führt, betonen andere, wie gesund und vollwertig eine vegane Ernährung ist. So, was stimmt denn nun? Nun, fangen wir vorne an: Der übermäßige Verzehr von tierischem Fett und Protein steht zweifelsfrei im Zusammenhang mit Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen und Typ 2 Diabetes. Wer Schnitzel, Salami &Co. meidet, mindert – so der aktuelle Forschungsstand – statistisch gesehen das Risiko von diesen Krankheiten betroffen zu sein. Allerdings: Vegan ist nicht automatisch gesund. Zwar sind die positiven Effekte einer pflanzlichen Ernährung nachweisbar, Voraussetzung ist jedoch, dass diese auch ausgewogen ist. Will heißen: Pommes mit Ketchup und Zartbitterschokolade sind lecker und vegan, als Grundlage für eine vegane Ernährung taugen sie aber nicht. Wer viel und verschiedenes Gemüse, Pseudo- und (Vollkorn-)Getreide, Hülsenfrüchte, frisches Obst, Nüsse und Samen isst und dazu noch bei (gesättigten) Fetten und Zucker Maß hält, ist hingegen auf einem guten Weg zu einer vollwertigen Ernährung. Auch stark verarbeitete Lebensmittel, also Fertigprodukte, enthalten vieles, was du vermutlich zu Hause nicht in den Kochtopf geben würdest. Diese sollten daher eher die Ausnahme bleiben. Das gilt übrigens für jede Ernährungsform – egal, ob mit Fleisch oder ohne. 

2. Vegan ist bio.
Nein. Viele Hersteller produzieren vegane Bio-Produkte. Das muss aber nicht zwangsläufig so sein. Vor allem Produkte, die „aus Versehen“ vegan sind – noch mal das Beispiel Zartbitterschokolade – sind deswegen noch lange nicht bio. Ebenso der Großteil von Obst, Gemüse und Getreideerzeugnissen. Sie sind zwar reine Pflanzenprodukte, aber eben nicht bio, wenn sie aus konventioneller Erzeugung stammen. Auch manches Ersatzprodukt, etwa veganer Aufschnitt, trägt kein Bio-Siegel. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, kaufst du in dem Bioladen deines Vertrauens ein.

3. Vegan ist nachhaltig.
Je nachdem. Genau wie bei den Aspekten Gesundheit und Bio gibt es hier keinen
Automatismus. Wenn Avocados und Gojibeeren deinen Speiseplan bestimmen, die um die halbe Welt geschifft werden, ist das logischerweise nicht wahnsinnig nachhaltig. Neben dem energie- und CO2-aufwändigen Transport entnimmt man den Herkunftsländern über die Exportgüter kostbares Wasser und besetzt vor Ort wertvolle Flächen, die dem lokalen Landbau fehlen. Wenn du aber auf regionales Gemüse und Getreide als Basis setzt und dieses mit Tofu, Kernen oder vereinzelt exotischen Zutaten ergänzt, ist die Energie-, Wasser- und CO2-Bilanz deiner Mahlzeit mit Sicherheit niedriger als bei jedem Schnitzelteller.

4. Vegan ist teuer.
So, da stehst du nun mit deinen drei Vegan-Artikeln an der Kasse und hörst wie der Kassierer sagt: „Das macht 13,50 Euro!“ Zugegeben, vegan ist nicht immer günstig, gerade Fertig- und Luxusprodute gehen ins Geld. Doch weil du ohnehin nicht zum*zur Puddingveganer*in mutieren solltest, die/der sich aus Faulheit auf veganes Fast Food beschränkt, sind vegane Lebensmittel bei einem abwechslungsreichen Speiseplan auch gar nicht so teuer. Obst, Gemüse, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Getreide – all diese Grundnahrungsmittel kannst du günstig kaufen. Auch Tofu, Trockensoja und pflanzliche „Milch“ sind teilweise recht günstig zu haben. Bei verarbeiteten Produkten sieht es schon anders aus. Würstchen, Schnitzel, veganer „Käse“ und Aufschnitt haben ihren Preis. Das ist bei Fertigprodukten aber normal, egal ob Tier drin steckt oder nicht, schließlich muss die Herstellung bezahlt werden. Fazit: Es gibt kostspielige Vegan-Produkte, teuer ist vegan aber nicht – eher im Gegenteil. 

5. Vegan ist kompliziert.
Honig im Müsli, Milch und Ei in Backwaren und auf die Hand gibt’s ein Salamibrötchen: Der Alltag für Vegan-Neulinge scheint voller Stolpersteine und ziemlich kompliziert zu sein, wenn du nicht gerade zwischen Bioladen und veganer Imbissbude lebst, oder mit anderen Worten außerhalb von Berlin-Kreuzberg. Aber niemand verlangt von dir, dass du von jetzt auf gleich vegan werden musst. Überleg mal: Was in deinem Speiseplan ist ohnehin schon vegan? Wenn du motiviert bist, dich damit auseinanderzusetzen, wirst du relativ schnell feststellen, dass vieles weniger kompliziert ist, als du es dir momentan vielleicht vorstellst. Zutatenlisten wirst du in Windes eile überfliegen, um zu checken, ob das begehrte Produkt vegan ist. Auch wirst du ein Gefühl dafür entwickeln, welche Produkte sich zu kontrollieren lohnen und bei welchen es ohnehin vergeblich ist. Mit der Zeit kennst du „deine“ Sachen und weißt, wo du zugreifen willst. Das Kochen wird dir umso schneller und leichter von der Hand gehen, je mehr du dich damit beschäftigst. Genauso wirst du für unterwegs deine Strategien entwickeln, Möglichkeiten und Orte kennen, an denen du dich versorgst und wissen, was du dir besser einpackst. Ist dein Einkauf und dein Haushalt erstmal vegan, hast du schon viel erreicht und eine gute  Basis für veganes Essen unterwegs und bei der Arbeit. Wenn du auf das Essen einer  Kantine angewiesen bist, kann es natürlich knifflig werden. Aber wer hat eigentlich gesagt, dass du zu Hause nicht vegan essen kannst, nur weil es bei der Arbeit schwierig ist? Und bei einer Einladung? Sprich mit den Gastgeber*innen. Vielleicht gibt es ja Kartoffeln und Gemüse zum Braten, dann bringst du dir eben ein Stück Tofu mit. Es gibt Risotto? Dann kann man den Käse doch auf den Tisch stellen, anstatt ihn in der Küche in den Topf zu werfen. Wenn beide Seiten willig sind, gibt es immer eine Lösung.

6. Sojakonsum zerstört den Regenwald.
Ja und nein. Ja, weil in Südamerika, vor allem in Brasilien, täglich gigantische Flächen Regenwald abgebrannt werden, um dort meist genverändertes Soja anzubauen. Die Folgen für das lokale und globale Klima, die Böden und die Menschen vor Ort sind katastrophal. Dieses Soja wird jedoch, wie ca. 75 Prozent der weltweiten Sojaernte, zu Futter für Masttiere wie Rinder und Schweine. Nein, weil Sojabohnen, aus denen vegane Produkte entstehen, überwiegend aus Europa kommen, oft aus biologischer Landwirtschaft und daher gentechnikfrei sind. Es ist also nicht dein Tofu oder Sojadrink, der den Regenwald zerstört, sondern vielmehr der globale Fleischkonsum. Eine regionale, vegane Ernährung kann somit einen spürbaren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.

7. „Vegan? Das könnt ich nicht!“
Der Milchkaffee am Morgen, eine Käsepizza im Restaurant, ein Grillabend mit Freuden: Es sind oft die kleinen Dinge im Leben, die dich erfreuen und darauf möchtest du natürlich nicht verzichten. Hier gehtes, wie bei vielem, um Gewohnheiten. Und diese zu verändern, ist bekanntlich schwer. Immer. Umso schwerer, je länger man ihnen nachgegangen ist. Täglich Sport machen, mit dem Rauchen aufhören, die Ernährung umstellen – alles schwierig, aber nicht unmöglich. Doch Hand aufs Herz: Wie oft hast du es schon ernsthaft versucht? Auch hier gilt: Eine Umstellung muss nicht zu 100 Prozent über Nacht stattfinden. Einfach mal zusätzlich zur Wurst einen Gemüseaufstrich kaufen, probieren und beim nächsten Mal die Wurst vielleicht weglassen. Welche Milchalternative schmeckt mir? Mag ich Tempeh? Kann man Kartoffeln auch mit Sojaquark essen? Man muss schon auch mal was ausprobieren, um zu wissen, ob man es kann. Es gibt so vieles zu ent decken. Wenn du dein Verhalten änderst, ändern sich auch deine Gewohnheiten. Und wenn du am Ende ein glühender Fan der veganen Küche geworden, aber immer noch süchtig nach Käse bist, heißt das ja nicht, dass du dir Schinken aufs Brot legen und Milch in den Kaffee gießen musst. Jeder Schritt zählt.
Eine spürbare Reduzierung beim Konsum von Tierprodukten kann weitreichende Folgen ermöglichen. Klasse statt Masse, bessere Preise für die Erzeuger, bessere Haltungsbedingungen für die Tiere, weniger Exporte, weniger Ressourcen- und Flächenverbrauch. Die Universitäten Göttingen und Hohenheim stellten bereits 2013 fest, dass bereits eine Verringerung des Fleischkonsums um 20 Prozent in den Industriestaaten „zu einer spürbaren Verbesserung der Ernährungssituation in Entwicklungsländern“ führen könnte. Vegan oder nicht, das könnte jede*r schaffen.

8. Vegan und dann Sojawürstchen essen – warum eigentlich (nicht)?
Puuh … also was ist eigentlich eine Wurst? Gemeinhin versteht man darunter tierisches Material, im Regelfall nicht die erste Wahl, oft Abfall, kleingehäckselt und mit ganz viel Gewürz, am besten im Eigendarm in eine längliche Wurstform gepresst. Aha, die Wurst ist also eine Form! Eine, die sich offensichtlich als praktisch herausgestellt hat und die manche Fleischesser*innen offenbar nicht bereit sind zu teilen. Die Wurst als Privileg von Karnivoren? Aber wieso? Unser Essen wird fast ausnahmslos von uns geformt, ja sogar designt. Was wir nicht in seine Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen (z.B. Kuchen backen), wird mindestens zurechtgeschnippelt. Die EU bog sogar Gurken gerade. Und ist die Gurke nicht eigentlich auch eine Wurst – aus Gurke? Baguettes sind Würste aus Hefeteig, Nudeln sind Würste aus Hartweizengrieß, Schupfnudeln sind Würste aus Kartoffeln, Geflügelwürstchen sind Würste aus Geflügel und Tofuwürstchen sind Würste aus Tofu. Was ist das Problem? Die Form hat z.B. Vorteile in der Handhabung. In der Pfanne machen sich Tofukrümmel ja noch ganz gut, auf dem Grill oder in der Semmel wird das Ganze aber schon etwas unpraktisch. Schon mal Hackfleisch gegrillt (nicht als Burger gepresst)? Eben. Außerdem kommt hier wiederum der Gewohnheitsfaktor ins Spiel. Würste aus geschreddertem Soja kann man ähnlich zubereiten und verzehren wie Würste aus geschreddertem Tier. Als Mensch der in einer Umwelt aufgewachsen ist, die regelmäßig Tierprodukte konsumiert, bietet das Orientierung. Man weiß etwas damit anzufangen. Mit Proteinbrei aus Pflanzen müsste man erst lernen umzugehen. Das sind die Gründe, warum Menschen Tofuwürstchen essen, nicht weil sie so tun wollen, als wäre es Tier. Und ganz ehrlich, am Ende wird aus jeder Nahrung eine Wurst – das ist dann wieder okay?

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