„Die Zukunft isst gesund“ – Futurologe Max Thinius im Interview

Wie lautet die Idee?
Max Thinius: Die Überlegung ist, dass man den ökologischen Fußabdruck, den der Mensch hinterlässt, auf einer App darstellen kann. Das heißt, dass man nicht nur seine Gesundheitsdaten in einem Faktor bekommt, sondern auch darüber informiert wird, wie nachhaltig man lebt. Damit hat man dann zwei Zahlen, die das eigene Verhalten sichtbar machen. Digitalisierung kann das grundlegend verändern und Menschen dazu motivieren, sich anders zu verhalten.

Schon jetzt denken einige Menschen wie z.B. die Ökologisch- und Gesundheits-
Bewussten um, die Mehrheit hat jedoch andere Sorgen. Inwiefern ist dies auch eine Folge der Industrialisierung?
Max Thinius: Als wir in der Agrargesellschaft lebten, hatten wir eine Sensibilität gegenüber unserer Umwelt, weil wir sehr direkt die Auswirkungen unseres Handelns spürten. Wenn wir etwas falsch machten, z.B. wenn Trinkwasser durch zu viel Dünger nicht mehr nutzbar war, wussten wir: Wir müssen es lassen, sonst sterben die Tiere und wir. Das war relativ nah. Durch die Industrialisierung sind wir von vielen Prozessen sehr abgeschnitten worden. Wir bekommen heute Dinge geliefert, deren Ursprung wir nicht mehr nachvollziehen können. Das hat zu einer absoluten Desensibilisierung geführt. Durch die Digitalisierung kommen wir wieder an den Punkt, dass wir eine direkte Wahrnehmung haben können, wie in Zeiten der Agrarwirtschaft, nur eben global und digital vernetzt. Da kommen also verschiedene Dinge zusammen. Auch noch mal zur Frage vom Anfang: Es wird eine Bewusstseinsveränderung stattfinden, die sich aber nicht nur aus dem heutigen Bewusstsein heraus entwickelt, sondern durch eine zunehmende Form von Daten, die in zunehmendem Maße Einzug in unseren Alltag halten wird. Das heißt also, Ernährung wird nicht nur eine ideelle Frage sein, sondern auch zunehmend eine datenbasierte, pragmatische.

Es gibt bereits Zahnbürsten, die uns Auskunft über unseren persönlichen
Gesundheitszustand erteilen, es wird Küchentische geben, die uns sagen, was wir kochen sollen. Was kommt noch auf den Markt?
Max Thinius: Wir werden zwar nicht in den nächsten zehn Jahren alle Küchen austauschen, aber wir werden mitunter beispielsweise intelligente Lampen haben, die man aus der Ferne steuern kann. Da werden vielleicht kleine Kameras drin sein, die unseren Alltag erfassen. Wir werden also entscheiden, wo wir mit wenig finanziellem Aufwand, Daten für uns generieren wollen.

Für viele eine schreckliche Vorstellung. Wir bezahlen technischen Komfort mit unserer Privatsphäre.
Max Thinius: Ja, wobei man damit auch die Vermutung zusammenführen muss, dass wir möglicherweise Daten nicht mehr für einen fremden Algorithmus sammeln, sondern für unseren eigenen. Aktuell lade ich ja alles hoch in eine fremde Cloud. Wenn ich das aber in meinem eigenen Algorithmus lade, den ich anderen bei Bedarf zur Verfügung stelle, damit diese für mich Dienstleistungen erbringen, ändert sich die Sachlage. Das ist aber was, was wir noch entscheiden müssen. Das gibt es heute noch nicht. Aber das wird eine Frage der nächsten Jahre sein.

Außer Lampen: Was ist noch denkbar?
Max Thinius: Dazu können wir nach Kopenhagen blicken. Die Kopenhagener haben z.B. fünf große Durchgangsstraßen, jeweils achtspurig. In den 1930er Jahren waren das Parks. Die Vielzahl der Straßen sind ja für die Industrialisierung gebaut worden. Wenn wir zunehmend unsere Produktionsweisen verändern, brauchen wir diese nicht mehr. Hier ist die Überlegung, aus den Straßen Parks und Anbauflächen zu machen, sodass Menschen zunehmend auch intelligente Produkte bekommen. Du sagst z.B. „Ich möchte Salat.“ Im Zweifelsfall erkennt dein Algorithmus, dass du den Salat haben willst. Man wird nicht mehr auf Verdacht ernten, sondern wir werden bedürfnisorientiert handeln und gezielter sowie kurzfristiger ernten. Der Trend wird dahin gehen, dass nicht länger als 24 Stunden, höchstens 48 Stunden, zwischen Ernte und Verzehr bzw. Ankunft im Haus des Konsumenten vergehen.

Wir werden also zunehmend regionale, saisonale Produkte konsumieren?
Max Thinius: Genau. Heute kann man ja auch kaum eine Agrarwirtschaft in der Stadt betreiben betreiben. Zukünftig wird es auch Ernteroboter geben, die Tag und Nacht durch die Felder fahren und gezielt die reifen Früchte und Salate herauspicken. Da wird eine völlig neue Technologie zum Einsatz kommen. Dadurch wird es auch wieder rentabel.

Wie realistisch ist es, dass in naher Zukunft Roboter die Feldarbeit erledigen?
Max Thinius: In China sind sie ja schon zugelassen, in Deutschland noch nicht. In China fliegen schon Drohnen, die erste Hinweise darauf geben, was zu tun ist. Wir haben schon viel Technologie, aber aktuell fehlt es noch an der Regulierung. Die Ernteroboter sind schon weit entwickelt. Sie können kranke, gesunde und reife Früchte erkennen. Sie können auch eine Erdbeere von einer Tomate unterscheiden. Felder werden zukünftig auch dauergrün sein, weil die Böden nicht mehr so ausgelaugt werden. Damit haben wir auch ganz neuen Formen der Landwirtschaft – und wir werden viel mehr Produkte pro Quadratmeter ernten können als es heute der Fall ist.

Was wird 2030/2040/2050 bei uns auf dem Teller landen?
Max Thinius:
Es wird sich dadurch unterscheiden, dass es noch regionaler ist. Und wir werden alte Sorten wiederentdecken.

Welche z.B.?
Max Thinius: Leinsamen. Sie sind ein Superfood, werden aber nicht so betitelt. Außerdem werden wir Bickelerbsen wiederentdecken, die sich am Weizen hochranken. Einerseits stabilisieren diese nämlich den Weizen, andererseits wird gerade eine Technologie entwickelt, um diese effektiv zu ernten. Plötzlich ergibt polykultureller Anbau wieder Sinn. Auch Algen wie z.B. Strandfenchel werden wieder konsumiert.

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