Legende 4: „Kunstleder lautet die Lösung”
Wer die robusten Eigenschaften von Leder nutzen, aber solche Zustände in der Echtlederproduktion nicht unterstützen möchte, scheint in Kunstleder eine gute Alternative zu finden: Optisch und haptisch kaum mehr von Echtleder zu unterscheiden, überzeugt gerade auch der günstige Preis. Doch in einer Zeit, die Plastik als Problem erkennt, muss auch Kunstleder in die Kritik geraten: Denn es besteht aus einer Mixtur aus erdölbasierten, schon in der Herstellung umweltproblematischen und nicht biologisch abbaubaren Kunststoffen wie Polyvinylchlorid (PVC) oder Polyurethan (PU). Dazu kommen Weichmacher, Flammschutzmittel und Stabilisatoren – Stoffe, die gesundheitsschädlich sein können und im Kunstleder oftmals nicht fest gebunden sind, also ebenfalls austreten können. Schadstoffexperte Christian Schelle vom TÜV Rheinland hält Kunstleder, bei aller Kritik am Echtleder, deswegen nicht für die Lösung: Auch hier liege teilweise eine sehr hohe Konzentration reproduktionstoxischer Stoffe vor. Während er vor allem von PU-basierten Kunstledern abrät, warnt der BUND explizit vor PVC: wegen der Abgabe von schädlichen Weichmachern. Damit nicht genug: Im vergangenen Jahr analysierte Öko-Test 15 vegane Handtaschen – und wurde in jeder fündig: Da waren kanzerogene PAKs enthalten, Formaldehyd oder auch Schwermetalle wie Blei oder wiederum das altbekannte Chrom.
Und am Ende muss man gestehen: Wer seine tierleidfreien Kunstlederschuhe oder seine vermeintlich ethische Kunstlederjacke wegwirft, produziert letztlich Plastikschrott. So wird auch Kunstleder zum Umweltproblem, verteilt seine Zusatzstoffe und Mikropartikel in der Natur, reichert sich gegebenenfalls in der Nahrungskette an – und wirkt sich somit auch wieder negativ auf Tier und Mensch aus. Sich für vegane Alternativen zu entscheiden, darf also nicht kurzsichtig sein. Vegan bedeutet nicht automatisch tierleidfrei und bedeutet oftmals schon gar nicht unproblematisch in Bezug auf Umwelt und/oder Gesundheit. Schuhe oder Jacken aus Kunstleder sind da ebenso ein Beispiel wie der Veganer*innen-Lieblinge Avocado, dessen Produktion ungeheure Ressourcen verschlingt. Nachhaltig vegan ist nur, wenn wir auf Tier, Mensch und Umwelt achten. Denn so trivial es klingt: Letztlich hängt doch alles irgendwie zusammen.