Kaum eine Zeitschrift lässt die Jahreszeit als Anlass aus, das Thema „Stärkung des Immunsystems“ auf die Agenda zu bringen, und nicht nur in den Apothekenfenstern stapeln sich Präparate, die das versprechen. „Rauschen“ wir ein wenig mit bei diesen Fragen. Das Thema ist allerdings erst einmal so unbehaglich wie der Winter selbst, wenn wir in die Welt der Krankheitserreger eintauchen.
Es besteht ein gewisser Konsens, der uns sagt, dass die kalte Jahreszeit Infektionsgefahren birgt, die es im Sommer nicht gibt. Dies halte ich allerdings schon für fragwürdig, denn sonst gäbe es keine „Sommergrippe“ oder andere globale Schreckgespenster. Richtig ist, dass unser Stoffwechsel es im Winter eher gemütlich angehen lassen will und uns z.B. Vitamin D (das „Lichtvitamin“) fehlt, das so wichtig für die gute Stimmung und auch das Immunsystem ist. In der Tat sind wir ein wenig anfälliger für Erkrankungen, aber meistens nur für eine harmlose „Erkältung“ durch Schnupfenviren.
By the way: Wer kennt eigentlich wirklich den Unterschied zwischen den kleinen und großen Spielverderbern für unsere Gesundheit, sprich Viren und Bakterien, die uns einfach nur einen Schnupfen bescheren oder uns ernsthaft krank machen können? Letztlich wollen wir ja nur wissen, was uns davor schützt – und wenn es dann mal „passiert ist“, wie wir möglichst schnell wieder auf die Beine kommen, weil unser beschleunigtes Leben keine Zeit mehr bietet, sich auszuruhen.
Das ist schon das erste Problem, denn egal, was da als vermeintlicher „Fremdkörper“ in uns eindringt, stellt unsere „körpereigene Polizei“ vor mehr oder weniger kompliziertere Aufgaben. Unser Immunsystem braucht eigentlich Ruhe und Zeit, um richtig gut zu arbeiten. Und auch akutes Fieber oder Entzündungen sind rein wissenschaftlich zunächst einmal nichts anderes als eine normale Reaktion in einer funktionierenden, eingespielten Kaskade an wirkungsvollen Maßnahmen des Körpers, die anlaufen, wenn die „Bösen“ von außen kommen. Auch wenn chronische Entzündungen auf Dauer belasten.
Im Körper herrscht beim akuten Infekt sprichwörtlicher „Kriegszustand“, mal dramatisch, mal nicht so dramatisch, und es gibt – man sehe mir den militaristischen Vergleich nach – wirklich erkennungsdienstliches Personal, Funker, Soldaten, Sprengkommandos und Aufräumtruppen. Das sind z.B. Botenstoffe, die bremsen oder pushen, „natürliche Killerzellen“ oder „Fresszellen“ in unserem Immunsystem, die in einem möglichst perfekten Zusammenspiel wieder alles in Ordnung bringen. Nur dauert dieser Kampf umso länger, wenn er nicht organisiert abläuft oder die „Abwehrtruppe“ müde oder durch perfide Tricks z.B. einiger Viren getäuscht ist. Die sind im Gegensatz zu Bakterien nicht nur kleiner (man stelle sich in etwa einen Stecknadelkopf im Vergleich mit einer Orange vor), sondern eigentlich nur ein mutierter Rest-Haufen „Genschrott“ aus RNA oder DNA (Erbmaterial). Der sogar noch in der erbärmlichen Situation ist, sich ohne einen Wirt nicht vermehren zu können. Dazu brauchen sie unsere menschlichen Zellen. Sind sie da allerdings einmal angelangt, geht es meistens „ans Eingemachte“, immer mit der Absicht, einfach nur möglichst viele Kopien von sich weiterzuverbreiten. Keine schöne Vorstellung, dass diese „Kopierfabrik“ an genetischem Datenmaterial sich verselbstständigt, doch keine Sorge: In den meisten Fällen wird unsere körpereigene Abwehr locker damit fertig. Es gibt allerdings hartnäckigere Kandidaten: Sie verbleiben ein Leben lang im Körper – wie z.B. sämtliche Herpesviren, zu denen auch die Windpocken-Viren und der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers gehören. Sie werden einfach nur „in Schach“ gehalten. Und es gibt die richtig fiesen, die unsere körpereigene Polizei komplett schlafen legen.
Bakterien gelten als eigenständige Lebewesen und sind durch ihre Größe besser erkennbar, was auch erklärt, dass sie historisch früher mit der Erfindung des Mikroskops entdeckt wurden. Dass die weltweite und nicht zielgerichtete Bekämpfung durch Antibiotika, die gegen Viren sowieso nichts ausrichten können, nur zu so genannten Resistenzen führt, ist hinlänglich bekannt.
Wenn wir einen Infekt bekommen, spüren wir bei dem typischen „Krankheitsgefühl“, das wir so gerne unterdrücken wollen, zunächst einmal die Antwort unserer körpereigenen Abwehr und nicht den Erreger selbst. Es sind winzige Botenstoffe (so genannte Interleukine), die uns z.B. signalisieren: „Lege Dich ins Bett, Du brauchst Ruhe“ oder „Ich fahre jetzt die Temperatur hoch, weil das notwendig für den nächsten Schritt ist“.
Das körpereigene Abwehrkommando geht nicht gerade zimperlich mit Eindringlingen um, die ihm schaden und macht manchmal alles platt, was auch nur den Anschein erregt, es könnte uns schaden, wenn die Fremdeinflüsse nicht richtig erkannt werden. Dabei schießt es allerdings gerne einmal über das Ziel hinaus und killt bei Virenerkrankungen lieber mal eine Zelle in unserem Körper zu viel. Manchmal greift es auch eigene Körperstrukturen an, und dann kommt es zu Autoimmun-erkrankungen der Gelenke, Drüsen oder Nerven.
Früher galt einmal die Faustregel: Je heftiger eine Infektionserkrankung durchlitten wird, desto gründlicher ist sie „abgearbeitet“. Dies ist allerdings nur bedingt richtig, denn sowohl die Stärke, mit der eine Infektionserkrankung abläuft, als auch die Frage, ob die Abwehr dabei „korrekt“ funktioniert, ist in Teilen erblich bedingt. Oder z.B. auch davon, wie clever uns Viren dabei an der Nase herumführen, um unsere „Immuntruppe“ auszutricksen.
Gelungen ist das ganze Spektakel, das unser Wunderwerk Körper vollzogen hat, damit wir uns wieder richtig gut fühlen, wenn alles „ordentlich abgearbeitet“ ist.
Wer jetzt angesichts solcher Ausflüge in den Mikrokosmos in Keimphobie verfällt, kann sich entspannen. Wir sind jeden Tag von so vielen Bakterien (auch „guten“, sogar in unserem Darm) und Viren umgeben, dass wir jede Sekunde krank werden müssten, wenn etwas nicht funktionieren würde. An jeder Türklinke kleben bis zu 400 bekannte Bakterienarten. Sicher wird nun am Schluss die Frage trotzdem aufkommen: Was tun, damit ich nicht krank werde und was, wenn ich krank werde? Wer wirklich meint, sein Immunsystem „aufpimpen“ zu müssen, sollte nicht blind mit Präparaten „drauflos pushen“, sondern erst einmal seinen Immunstatus vom Arzt ermitteln lassen und ggf. auf hochwertige Produkte zurückgreifen. Und keine, wenn nur die Nase läuft: Das ist nur die „Müllabfuhr“ der körpereigenen Abwehr. Ansonsten habe ich einen ganz persönlichen Tipp: Ruhe, frischer Ingwer und Glückshormone – sofern vorhanden. Falls nicht: Mach mal wieder öfter etwas, das dir Freude macht!