Alle Zeichen auf Grün : Über die Landwirtschaft der Zukunft

Foto: pexels.com/ Akil Mazumder

Vor dem Hintergrund von Wasserknappheit, Energieengpässen, Klimakrise,
Rohstoffmangel und Bevölkerungswachstum muss sich die Agrarkultur mit einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung auseinandersetzen. Dabei sollten alle Zeichen auf Grün stehen. Ein kleiner Überblick.

AUTORIN: JACQUELINE FLOSSMANN

WIE MACHT’S DIE KONVENTIONELLE LANDWIRTSCHAFT?
In Deutschland wird die Hälfte der Landesfläche agrarwirtschaftlich genutzt. Etwa 86 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe arbeitet konventionell, was bedeutet, dass auf leichtlösliche Düngemittel und Wirtschaftsdünger, Monokolturen und Massentierhaltung gesetzt wird, um große Erträge zu sichern. Ein Problem der Düngeverwendung: Trotz Einhaltung der Mengenvorgaben gibt es diverse Studien wie beispielsweise jene der Initiative „Ackergifte, nein danke“ vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und dem Umweltinstitut München, die belegen, dass Pestizide und Düngemittel sich auf das Umland, in Gewässern und in der Luft verbreiten. Zudem bleiben viele der Pestizide auf den Lebensmitteln zurück. Darüber hinaus leidet die Artenvielfalt, auch aufgrund der fortschreitenden Lebensraumverdrängung, die für ein einschneidendes Insekten- und Vogelsterben verantwortlich ist. Als wichtigster Kritikpunkt muss die Tierhaltung angesprochen werden. Alleine für die Fleischproduktion werden in Deutschland jährlich etwa 743 Millionen Tiere mit Kraftfutter aus Mais und Soja gefüttert und geschlachtet. Dass bei einer solchen Menge an Lebewesen das idyllische Verpackungsbild von grasenden Kühen auf der Almweide nicht mehr darstellt als ein Luftschloss, ist ein trauriger Fakt. Dass für die Futterherstellung Regenwälder gerodet werden, ebenso.

WIE MACHT’S DER ÖKOLANDBAU?
Weil sich immer mehr Verbraucher*innen und Produzent*innen mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, man eine enkelfreundliche Landwirtschaft schaffen und mehr Ausgewogenheit und Importunabhängigkeit im Nahrungssektor erhalten will, steigen sowohl Nachfrage als auch Angebot im Bereich ökologisch erzeugter Lebensmittel. Aktuell werden etwa 1,7 Millionen Hektar der landwirtschaftlichen Fläche für den Ökolandbau genutzt, das entspricht gut 10 Prozent des Gesamtanteils. Alleine im letzten Jahrzehnt hat sich dieser Anteil fast verdoppelt. Im Jahr 2022 arbeiten circa 35.396 Betriebe in Deutschland ökologisch, Tendenz steigend. Der Ökolandbau ist ein agrarwirtschaftlicher Ansatz, der sich auf Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Biodiversität stützt. Hier wird auf Gründüngung gesetzt, es werden weniger anfällige Pflanzensorten angebaut, bei der Schädlingsbekämpfung beruft man sich statt auf Chemie auf Nützlinge wie Marienkäfer oder Florfliegen. Die Nutztiere haben mehr Platz, einen vorgeschriebenen Mindestauslauf und eine höhere Lebensdauer. Außerdem sind Praktiken wie systematisches Schnabelkürzen, Enthornen oder Kupieren verboten. Genverändertes Futter darf nicht gegeben werden, ebenso wenig wie eine prophylaktische Medikation. Darüber hinaus soll die biologische Agrarwirtschaft die Böden schützen, beispielsweise durch sinnvoll gewählte Fruchtfolgen. Tierhaltung und Pflanzenbau werden zu einer möglichst geschlossenen Kreislaufwirtschaft fusioniert. Eine Umstellung von konventioneller Landwirtschaft zum Ökolandbau dauert bei ein- oder überjährigen Kulturen (dazu zählen Getreide, Hackfrüchte, Feld- und Feingemüse sowie Schnittblumen) etwa zwei Jahre, bei Dauerkulturen wie Wein, Obst, Hopfen oder Spargel drei Jahre. In der Tierhaltung werden alle Produktionseinheiten über etwa 24 Monate lang umgestellt, erst nach Ablauf dieser Zeit und nach Einhalten aller Vorgaben werden Flächen und Tiere ökologisch anerkannt.

GRÜN, GRÜN, GRÜN – DARUM ÖKOLANDBAU
Aufgrund der aufgezählten Faktoren ist der Ökolandbau der konventionellen Landwirtschaft in puncto Nachhaltigkeit überlegen. Außerdem sind biologisch hergestellte Lebensmittel gesünder, insofern man sie in ihrer unverarbeiteten Form betrachtet. Auch wenn dies in zahlreichen Studien immer wieder diskutiert wird, so ist doch belegt, dass Bio-Nahrungsmittel fast immer weniger Pestizid- und Medikamentenrückstände aufweisen. Dass Produke mit Alkohol, Fett, Zucker und wenig Nährstoffen auch aus biologischem Anbau nicht gesund sind, wird hierbei oftmals in den Vordergrund gestellt und so der Diskussionsrahmen unnötig verzerrt. Beim jährlichen „Öko-Monitoring 2018“ des Verbraucherministeriums Baden-Württemberg beispielsweise konnten nur bei sieben Prozent des untersuchten Frischobstes aus biologischer Landwirtschaft Pestizidrückstände nachgewiesen werden. Bei konventionellem Obst hingegen lag die Zahl bei 95 Prozent. Auch wenn die Pestizidrückstände in konventionell erzeugter Nahrung durch Obergrenzen geregelt sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch in den zugelassen Mengen negativ auf den menschlichen Organismus einwirken. Vor allem exotische Früchte wie Granatäpfel, Mangos und Grapefruits, aber auch Bohnen, Spinat, Paprika, Feldsalat, Rucola, Trauben, Kirschen, Aprikosen, Erdbeeren und auch Tee aus konventioneller Erzeugung enthalten oftmals Pflanzenschutzmittelrückstände – bei Stichprobenuntersuchungen liegen die Werte hier sogar immer wieder über den zugelassenen Obergrenzen. Das ergab eine Untersuchung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2021, weswegen sich hier ein Griff zu biologischen Produkten als ganz besonders ratsam erweist. Wer vermehrt auf Bio-Siegel setzt, tut etwas für seine Gesundheit. Wer zusätzlich Faktoren wie Regionalität, Saisonalität und den Verzicht auf tierische Produkte in den eigenen Speiseplan einberechnet, kümmert sich aktiv im eigenen Alltag um eine nachhaltige Umweltgestaltung.

LANDWIRTSCHAFT NEU GEDACHT
Um die Fleischeslust, die massenhafte Nachfrage, ein breites Angebot, das Verlangen nach universaler Verfügbarkeit und den Geldbeutel der Konsument*innen befriedigen zu können, setzen viele Landwirt*innen aktuell gezwungenermaßen auf Großproduktion. Im Zuge eines kollektiven Umdenkens, einer respektvollen und enkelfreundlichen Landwirtschaft und Zukunftsgestaltung wäre es jedoch ratsam für alle Beteiligten, eine großflächige Umstellung auf Ökolandbau anzuvisieren. Hierbei müssten sowohl das Bewusstsein der Produzent*innen als auch das der Konsument*innen gleichzeitig geschärft und geschult werden, um eine funktionierende Agrarkultur zu schaffen und zukünftige Nahrungsmittelproduktion neu, tierfreundlich, umweltschonend und fair zu gestalten.

Solidarische Landwirtschaft
Eine Möglichkeit, um Landwirt*innen direkt zu unterstützen, ist die solidarische Landwirtschaft. Hier schließen sich Privatpersonen mit Produzent*innen aus der Region zusammen. Die Mitglieder ermöglichen den Bäuer*innen eine ökologische Arbeitsweise unabhängig von den Schwankungen des Marktes. Im Gegenzug erhalten sie einen Teil der Ernte und absolute Transparenz bezüglich der Lebensmittelherstellung.

Biovegane Landwirtschaft
Eine Alternative ohne Tierleid bietet die biovegane Landwirtschaft. Wie auch im Ökolandbau stehen enge Stoffkreisläufe, der Verzicht auf künstliche Dünger, Pestizide und Gentechnik im Vordergrund. Vegan wird die Landwirtschaft erst, wenn ausschließlich pflanzliche Lebensmittel erzeugt werden. Das schließt auch mit ein, dass keine tierischen Nebenprodukte wie Mist, Gülle oder Hornpellets verwendet werden. 2017 wurden die biozyklisch-veganen Richtlinien in die „IFOAM Family Of Standards“ (International Federation of Organic Agriculture Movements) aufgenommen, was bedeutet, dass seitdem ein veganer Öko-Anbaustandard existiert.

Regenerative Landwirtschaft
Die regenerative Landwirtschaft vereint Ideen aus dem Ökolandbau, der Permakultur, der Agroforstwirtschaft und der Renaturierungsökologie. Der so entstehende ganzheitliche Ansatz wird von den Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen als zukunftsträchtige Anbauform empfohlen. In den USA wird das vor etwa 50 Jahren erdachte Konzept kurz mit dem Slogan „Put the carbon back to soil“ zusammengefasst, was „Bring den Kohlenstoff zurück in den Boden“ bedeutet. Hierzulande wird dieser Ansatz als Humusaufbau bezeichnet – die Böden sollen also so behandelt werden, dass der Humus-Anteil nicht nur gleich bleibt, sondern sogar wächst, was für eine stabile Bodenstruktur sorgt und sich positiv auf die Gesundheit der Pflanzen und deren Nährstoffgehalt auswirken soll. Derzeit werden in Deutschland etwa 50.000 Hektar regenerativ bestellt.

Weitere Formen wie Agroforstwirtschaft, Vertical oder Urban Gardening sind ebenfalls Ansätze, die bei der Bewältigung der kommenden Herausforderungen helfen können. Schließlich muss die Landwirtschaft trotz Wasserknappheit, Rohstoffmangel, einer wachsenden Bevölkerung und eventuellen Energieengpässen die Ernährung der Menschen weltweit sicherstellen, ohne die Umwelt weiter zu belasten. Dies kann vor allem dann gelingen, wenn die Agrikultur künftig symbiotisch, achtsam, mit einer deutlichen Reduktion der Tierhaltung und einem Fokus auf Nachhaltigkeit in die Ökosysteme der Erde eingebunden wird und so die Lebensgrundlage künftiger Generationen sichert.

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