„Bis hierher schaffen es nur die ganz Mutigen“, betont Surdham mit einem verschmitzten Lächeln und meint damit seine Küche im Westen Münchens. Inmitten eines riesigen Gebäudekomplexes, eines Labyrinths aus schier endlos erscheinenden Gängen, befindet sich das kleine Paradies: Surdham‘s Kitchen. Hier gibt er vegane Kochkurse, veranstaltet Dinner-Events, bereitet Speisen für seinen veganen Catering-Service vor, kocht und schlemmt mit seinen Liebsten. Die Küche ist hell und offen, ein großer Tisch lädt zum Beisammensitzen ein, die Atmosphäre ist angenehm und es duftet nach allerlei Gewürzen. Hinter der großen Fensterfront rattern Züge vorbei, pulsiert die Stadt. Von Hektik oder Stress jedoch keine Spur in Surdhams offenem Gesicht mit den strahlenden Augen und charmantem Lächeln. Schnell wird deutlich, dass es seine Persönlichkeit ist, die dafür sorgt, dass inmitten einer solchen Umgebung eine Oase für die Sinne entstehen kann. Es verwundert kaum, dass Surdham Chi Kung praktiziert, regelmäßig meditiert und Yoga macht, um zur Ruhe zu kommen, denn die strahlt er auch selbst aus.
Als Jugendlicher ist er Teil der linken Underground-Musikszene, besprüht Pelzmäntel mit Farbe, kippt Schnellzement in McDonald‘s-Toiletten, sträubt sich gegen das kapitalistische System und will erst mal nur eines: raus aus Deutschland. Er bereist Afrika, lebt einige Jahre in Indien und findet dort zu seinem Credo, nämlich, anstatt sich radikal gegen Personen und Institutionen zu richten, eine leidfreie Kommunikation zu führen, jeden Menschen prinzipiell als gut zu betrachten und sich darauf zu konzentrieren, selbst etwas Positives zu erschaffen. Als 19-Jähriger wird er Chefkoch in einem Meditationszentrum in München, baut nach und nach Restaurants mit auf, bereist die halbe Welt und kehrt mit neuen Erfahrungen und Inspirationen zurück, die sich auch in seiner Art zu kochen widerspiegeln. Surdham feiert große Erfolge als etablierter Vegan-Koch und übernimmt, in welchem Projekt auch immer, stets eine leitende Position. Irgendwann wird er des Systems dennoch überdrüssig. Er bemerkt, dass vegane Locations zwar sehr tierfreundlich, gleichzeitig aber auch oft menschenunfreundlich sind. Neben schlechten Arbeitsbedingungen werden viele Angestellte – wie auch anderenorts – unterbezahlt. Surdham steigt aus und schafft sich seinen eigenen kleinen Kosmos. In einem Büroraum installiert er eine Küche, erledigt die handwerklichen Arbeiten größtenteils selbst und macht sich mit seiner Passion, dem Kochen, selbstständig. Er bezahle seine Mitarbeiter gut und müsse auch niemanden – ob gewollt oder ungewollt – übers Ohr hauen oder Preise drücken etc. Das, so Surdham, sei für ihn das Allerwichtigste.
Auf die Frage, ob er denn nicht auch einmal an den Ungerechtigkeiten, die es auf dieser Welt gibt, verzweifle und wütend werde, antwortet Surdham, in seiner Linken ein Glas Kaffee mit Reismilch: „Die Welt geht schon immer unter – daran hat sich nie etwas geändert. Aber auch wenn jeder Mensch einmal stirbt, das Leben wird es immer geben. Die Erde kann dabei auf sich selbst aufpassen. Wenn wir versuchen, die Umwelt zu schützen, dann machen wir das aus reinem Egoismus. Damit wir nicht eingehen. Dabei gibt es immer Gruppen, die jemanden unterjochen und diejenigen, die die Welt retten wollen“. Wichtig seien die moralischen Ansprüche an sich selbst. Eine Erwartungshaltung gegenüber anderer Menschen zu haben, daraus habe sich noch nie eine positive Entwicklung ergeben. Alteingesessenes nicht weiter aussitzen, sondern etwas Neues anpacken, sich von Konventionen befreien. So hält Surdham es auch in der Küche. Spaghetti – Bolognese, Penne – Arrabiata; die Assoziationskette funktioniert wie ein angeborener Automatismus. „Zum Kotzen, wie das in uns verankert ist. Das Tolle am Veganismus ist, dass man ohne großen Aufwand aus solchen Mustern ausbrechen kann“. Natürliche Lebensmittel wahrnehmen, lernen, dass diese jede Saison anders schmecken und aussehen können, das essen, worauf man Lust hat und das Bauchgefühl entscheiden lassen, was dem Körper fehlt oder gut tut – Dinge, die Surdham Genießern durch seine Kurse und Kochbücher näherzubringen versucht. „Intellektuell gesehen ist der Veganismus der einzige Weg – das ist klar. Man muss ihn aber auch fühlen und einen Bezug zu den Produkten aufbauen“.
Stellenweise möchte man Surdham, der jeden einzelnen Menschen als eine Sensation begreift und ein tiefes Urvertrauen in die Welt setzt, mit einem „Aber“ begegnen. Für ihn selbst gibt es kein Aber, denn er hat seinen Weg gefunden und macht damit sich und seine Umwelt glücklich: „Ich bin jetzt vierzig und habe alles in meinem Leben erreicht, was ich erreichen wollte. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Mir fehlt es an nichts. Ich habe alles und gebe gerne alles“.