Köchin Estella Schweizer im Interview

Foto: Greenpeace Magazin Edition / Maria Panzer

Fleischfrei essen ist gut für die Umwelt. Das hat sich herumgesprochen. Und veganes Backen? Auch, weiß Köchin Estella Schweizer. Zusammen mit dem Greenpeace Magazin hat sie das Backbuch „Süße Welt! Vegan“ mit über 80 beliebten Kuchen, Torten und Süßspeisen aus aller Welt veröffentlicht. Wir sprechen mit ihr über pflanzliche Rezepte, Ernährungsgerechtigkeit und ein Klimadinner im Bundestag.

AUTORINNEN: Xenia Waporidis und Susann Döhler

Estella, was hat ein veganer Zwetschgenkuchen mit Klimaschutz zu tun?

Mehr, als gemeinhin angenommen! Bei allen Zutaten, die wir zum Backen und Kochen verwenden, können wir auf deren Erzeugung, die Herkunft, die Lieferkette und in der Küche schlussendlich auch die Zubereitung achten. Im Bezug auf den Zwetschgenkuchen achte ich auf die Herkunft des Mehls/der Mehle (bio, möglichst aus Deutschland und vollwertig), verwende pflanzliche „Butter“ und „Milch“ und ersetze die Eier. Außerdem heize ich den Backofen nur kurz vor und schalte bereits 5 Minuten vor Ende der Backzeit aus, wenn ich absehen kann, dass der Kuchen zum rechten Zeitpunkt durchgebacken ist. Natürlich backe ich Zwetschgenkuchen nur im Herbst, wenn es auf dem Wochenmarkt auch reife, regionale Zwetschgen gibt.

Wie du erwähnst, kommst du ohne die klassischen Hauptzutaten wie Eier, Butter und Milch aus. Wie setzt du deine Rezepte um?

Butter und Milch in Rezepten zu ersetzen ist dank der zahlreichen, geschmacklich hervorragenden Butter- und Milchalternativen heute gar kein Problem mehr. Die Backeigenschaften von Eiern lassen sich in den meisten Teigen durch ein paar Kniffe und Tricks mit Zutaten wie Backpulver, Apfelmus und Floh- oder Leinsamen einfach ergänzen. Mich persönlich interessiert das Thema schon seit Jahrzehnten und ich probiere aus, recherchiere, setze um und erweitere meinen Erfahrungsschatz fortwährend.

Ob Waffeln oder Zitronenkuchen: Oft fehlt eine gewisse Fluffigkeit. Wie gelingt diese?

Hier gilt zu unterscheiden zwischen „industriell fluffig“ und „handwerklich fluffig“. Ersteres erreichen wir nicht ohne alle die Mittelchen und Zusatzstoffe, die in der Lebensmittel-Industrie ihren Einsatz finden. Letzteres erreichen wir ganz einfach durch einen gekonnten Umgang mit entsprechenden Backtriebmitteln, passend ausgewählten Mehlen und dazu passenden Knet- und Ruhezeiten.

In vielen Bäckereien wird man als Veganer*in nur schwer fündig. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Das könnte zum Einen an der Suche am falschen Ort liegen – in Biobäckereien und Biosupermärkten kann man mittlerweile durchaus was finden. Zum Anderen hängt die Branche der Zeit noch etwas hinterher. In wenigen Jahren wird das ganz anders aussehen. Um die Veränderung zu beschleunigen, sind Veganer*innen angehalten in der Lieblingsbäckerei konsequent nach veganen Produkten zu fragen. Quiche, vegan belegte Brötchen, veganer Kuchen und Gebäck …damit die wachsende Nachfrage auch deutlich spürbar ist. Oder dem Lieblingsbäcker– sofern es ein kleiner Betrieb ist – einfach mal das „Süße Welt! Vegan“-Buch schenken. So hat es eine Freundin von mir am Bodensee gemacht und schwupp hatte die Bäckerei Rührkuchen, „Butterkuchen“ und sogar ein paar vegane Torten im Angebot.

Zurück zu dir: Was kennzeichnet deine süße Welt?

Schwierige Frage! (lacht) Meine eigene süße Welt im Alltag kennzeichnen fair gehandelte Datteln, fair gehandelte Nüsse und selbst gebackenes Bananenbrot. Meine süße Welt mit Greenpeace Media kennzeichnen traditionelle Lieblingsrezepte rund um die Welt, rein pflanzlich und zeitgemäß umgesetzt. Bei der Recherche und dem Konzipieren der Rezepte hat das zum Beispiel auch bedeutet, den Zucker- und Fettgehalt teilweise zu reduzieren.

Für die vegane Community bist du mit deinem Engagement für eine nachhaltigere Zukunft ein Vorbild. Was inspiriert dich?

Immer schon inspiriert hat mich das Thema Ernährungsgerechtigkeit: Wie können wir uns ernähren, um gesund zu sein und satt zu werden und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass es für alle Bewohner dieses Erdballs genug zu essen gibt? Gepaart mit meinen Interesse für vollwertige Ernährung spannt sich das Feld weit auf. Wirklich nachhaltig für Ökologie, Ökonomie und den sozialen Zusammenhalt ist allein eine weitgehend pflanzliche Ernährung. „Weitgehend“ deshalb, weil es in den trockensten, steilsten, kältesten und heißesten Gebieten der Erde Hirtenvölker gibt, die mithilfe von Tieren die Gebiete der Erde bewirtschaften, die kaum anders genutzt werden können. Das betrifft ca. 200 Millionen Menschen und eine Milliarde Tiere weltweit. Verschwindend wenig, wenn man sie den 80 Milliarden Nutztieren in Massentierhaltung gegenüber stellt. Pastoralist*innen nehmen die zahlreichen Mühen der mobile Lebensweise und wenig Besitz in Kauf, leben oft ohne festen Wohnsitz und stellen ihre persönliche Bequemlichkeit unter das Wohl der Tiere. Sie handeln nach tief verankertem Wissen von generationsübergreifenden Traditionen und haben ein starkes soziales Netzwerk. Darüber hinaus ist Pastoralismus ökologisch bedeutsam, denn der Kot der Weidetiere dient als Dünger und Ernährungsgrundlage für Insekten. Diese Insekten sind Futter für Vögel, Amphibien und Reptilien (Artenvielfalt / Biodiversität) und das durch Pastoralismus erhaltene Weideland und Grasland dient als Kohlenstoffsenke.

Zu Schluss: Welchen Traum würdest du dir gerne erfüllen?

Ein politisches Klimadinner im Bundestag, zusammen mit Greenpeace und den besten veganen Köchen Deutschlandes. Als kulinarisches Manifest.

INFO

Gemahlene Flohsamenschalen, Kardamom und Nüsse dürfen in ihrer veganen Küche nicht fehlen. Estella Schweizer, Jahrgang 1983, ist bekannt als Food-Coach, Business-Beraterin, Kochshowleiterin und Kochbuchautorin. In „Süße Welt! Vegan“ konzentriert sich die Freiburgerin auf köstliche Backwaren. Statt zu Butter, Eiern und Milch greift sie zu veganen Zutaten und zaubert so Kekse, Kuchen und Torten, die so gut aussehen, dass man sie am liebsten sofort nachbacken möchte. Vielfältig, lecker und klimafreundlich! Ihr Rat: „Kocht und backt für (nicht vegane) Freund*innen, ladet zum Essen ein, verschenkt nur noch Kulinarisches, inspiriert durch Geschmack, Genuss und Lebensfreude.”

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