Die Welt der Pflanzendrinks ist ein weites Feld und zwar eines, dessen Erkundung sich lohnt, schließlich zählen Pflanzendrinks zu den beliebtesten Ersatzprodukten weltweit.
AUTORIN: JACQUELINE FLOSSMANN
Milchalternativen aus Hafer, Mandel, Reis & Co. sind im Trend – weil viele die
Getränke als bekömmlicher einstufen, die Vielfalt inzwischen unglaublich groß ist, die Drinks im Gegensatz zu Kuhmilch einen deutlich besseren Umweltfußabdruck hinterlassen und keine Tiere zur Herstellung benötigt werden. Im Grunde eine hieb- und stichfeste Argumentationskette für das Getränk. Das sehen auch immer mehr Konsument*innen so. Doch von vorn!
WER, WO, WAS?
Wenn man die Statistiken der jüngsten Vergangenheit betrachtet, wurde alleine
von 2018 auf 2019 ein Wachstum von 25 Prozent auf diesem Sektor festgestellt. Was z.B. in Deutschland zusätzlichen helfen würde: eine andere Besteuerung. Hierzulande werden die Drinks mit 19 Prozent besteuert und somit bei den Luxusgütern einsortiert, während auf Kuhmilch nur 7 Prozent Mehrwertsteuer entfallen. Dass die Verwendung von im Alltag etablierten Produktbezeichnungen wie „Pflanzenmilch“ von der EU verboten wurde, ist ein weiterer kleiner Hemmfaktor, von dem sich die Pflanzendrinkindustrie jedoch nicht den Wind aus den Segeln nehmen lässt. In den USA und der EU konsumieren bereits heute etwa 50 Prozent der Verbraucher*innen sowohl Kuhmilch als auch Pflanzendrinks. In Deutschland liegt der Haferdrink aktuell auf dem ersten Platz im Beliebtheits-Ranking, Hanfdrink wird am wenigsten konsumiert. Laut Research und Markets wird der Umsatz mit Pflanzenalternativen bis 2024 auf bis zu 38 Milliarden Dollar ansteigen. Zum Vergleich: 2010 lag dieser Wert noch bei etwa 7,4 Milliarden Dollar, 2018 bei 16,3 Millarden Dollar.
WIE?
Milchalternativen können aus Hülsenfrüchten, Getreide, Pseudogetreide, Nüssen oder Samen gewonnen werden. In der Regel werden die Rohstoffe mit Wasser vermengt und anschließend nass gemahlen. Alternativ gibt es auch die Trockenmahlung, das so hergestellte Pulver wird erst im Anschluss mit Wasser vermengt. Dann wird das Gemisch bei beiden Produktionsarten durch ein Sieb gegossen, um größere Partikel herauszufiltern. Je nach Marke oder Hersteller*in werden dann noch weitere Zutaten wie Öle, Zucker, Aromen, Stabilisatoren oder Nährstoffzusätzen beigegeben. Am Ende erfolgen in der industriellen Herstellung verschiedene Wärmebehandlungen, um Haltbarkeit und eine angenehme Konsistenz zu garantieren.
WAS GIBT’S?
Gutes Getreide Der Haferdrink ist neben der Haferflocke eines der beliebtesten Produkte, das aus der ballaststoffreichen Pflanze gewonnen wird. Die Milchalternative gibt es von zahlreichen Marken, von einem Umwelt-Standpunkt aus schneidet sie laut Ökotest am besten unter den Pflanzendrinks ab. Die Albert-Schweitzer-Stiftung bestätigt dies und attestiert einem Liter lediglich 8 Prozent der Wasserverschmutzung, 8 Prozent des Landverbrauchs, 31 Prozent der Treibhausemissionen und 39 Prozent des Energieverbrauchs von einem Liter Kuhmilch. 100 ml Haferdrink enthalten etwa 50 kcal, 8 g Kohlenhydrate, 1,5 g Fett und 0,5 g Protein. Hafer ist reich an Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen und Antioxidantien und kann in der Küche vielfältig eingesetzt werden. Kochen, backen, im Kaffee oder pur – alles ist möglich. Wer besonderen Wert auf die perfekte Creme oder Haube auf dem Cappuccino legt, kann auf die zahlreichen „Barista“-Editionen zurückgreifen. Selbiges garantieren eine ausgezeichneten Schaum. Für Saucen & Co. gibt es ein immer breiter werdendes Sortiment an Kochcremes, die für ein wunderbar sämiges Ergebnis sorgen. Ähnlich verhält es sich mit Alternativen aus Dinkel, die ein leicht nussiges bis mehliges Aroma aufweisen. Obwohl der Reisdrink zu den Getreidedrinks zählt, gehört er zu den allergenärmsten Pflanzenmilchsorten überhaupt. Für die Herstellung wird Vollkornreis mit Wasser versetzt, püriert, gefiltert und anschließend fermentiert. In 100 ml findet man etwa 47 kcal, 10 g Kohlenhydrate, 1 g Eiweiß sowie 1 g Fett. Da bei der Verarbeitung die Kohlenhydrate in Zucker gespalten werden, hat Reisdrink von Haus aus einen süßeren Geschmack, viele Hersteller*innen setzen weiteren Zucker zu. Aufgepasst: In Reis kann Arsen – ein in größeren Mengen giftiges Metall – nachgewiesen werden. Der Arsengehalt in Lebensmitteln ist durch gesetzliche Höchstgrenzen geregelt, es muss also nicht auf Reisprodukte verzichtet werden. Da diese Schwellenwerte für Babys und Kleinkinder jedoch strenger angelegt sind, muss man bei diesen besonders darauf achten.
Hüllenlose Hülsenfrüchte
Der Sojadrink ist ebenfalls eines der beliebtesten Ersatzprodukte und gleichzeitig eine der wenigen Milchalternativen, die mit circa 3 Gramm Protein auf 100 ml dieselbe Menge Protein enthalten wie Kuhmilch. Mit etwa 35 kcal pro 100 ml und mit Vitaminen und Mineralstoffen wie Calcium oder Vitamin B12 angereichert, können viele von ihnen als pflanzliches Äquivalent zur konventionellen Milch gesehen werden. Die Kocheigenschaften des Sojadrinks ähneln denen der Kuhmilch, weswegen sie selbige in der Küche meist 1:1 ersetzen kann. In manchen Speisen – z.B. in Semmelknödeln oder verschiedenen Gebäcken – funktioniert der Sojadrink zudem als Ei-Ersatz, da er eine gewisse Klebeeigenschaft mit sich bringt und Lebensmittel bindet. Auch Sojadrinks hinterlassen im Vergleich zur Kuhmilch einen guten Umweltfußabdruck. Eine Kollegin der Sojabohne ist die Lupine, bisher noch ein Underdog unter den Leguminosen. Schade eigentlich, denn die dicken Wolfsbohnen bergen Potenzial. Die Hülsenfrüchte, von denen die sogenannten Süßlupinen für die Lebensmittelproduktion eingesetzt werden, sind einfach im Anbau und enthalten viele wertvolle Nährstoffe sowie ordentlich Eiweiß. Lupinendrinks kommen auf etwa 70 kcal pro 100 ml, enthalten 2 g Protein,6 g Kohlenhydrate und 4 g Fett und machen sich gut in Müsli, Kaffee, Shakes & Co. Auch die Erbse fristet hierzulande zumindest getränketechnisch noch eher ein Schattendasein. Es gibt aber ein paar Hersteller*innen, die Milchersatz aus gelben Spalterbsen gewinnen. Die Drinks haben ähnlich viel Protein wie Kuhmilch, es gibt sie in gesüßten und ungesüßten Varianten. 100 ml des Erbsendrinks ohne zugesetzten Zucker enthalten im Durchschnitt 39 Kilokalorien, ca. 2 g Fett, 0,5 g Kohlenhydrate und mehr als 5 g Eiweiß.
Nahrhafte „Nüsse“
Der Mandeldrink erfreut sich großer Beliebtheit. Er ist glutenfrei und für Menschen mit Sojaunverträglichkeit geeignet. Um das Getränk aus der Nuss (die aus botanischer Sicht eigentlich ein Steinobst ist) zu bekommen, werden die Mandeln erst geröstet, dann zu feinem Mehl gemahlen und mit Wasser vermischt. Je nach Herstellerin und Geschmack wird abschließend noch Süße hinzugefügt. Von Marke zu Marke ist das Aroma unterschiedlich, das hängt – wie bei den anderen Drinks auch – vom Anteil der Rohstoffe, den Beisätzen und dem Röstgrad ab. Der Mandeldrink lässt sich gut aufschäumen oder in Desserts und Saucen verwenden. Ernährungsphysiologisch schlagen 100 ml des Getränks mit ca. 25 kcal pro 100 ml zu Buche, es enthält daher auch nur wenig Protein (etwa 0,6 g) und wenige Kohlenhydrate (0,6 g). Eine bisher eher weniger verbreitetes Getränk ist der Erdnuss-Drink. In den USA und Asien hat sich diese Alternative schon durchgesetzt, hierzulande gibt es nur wenige Marken, die Milchalternativen aus Erdnüssen (die botanisch gesehen Hülsenfrüchte sind) herstellen. Die Drinks haben etwas mehr Kalorien als ihre Kolleginnen, ganze 60 kcal kommen auf 100 ml. Entsprechend höher ist auch der Fettgehalt mit 4,8 g, während der Proteingehalt bei immerhin 2,8 g liegt. Die Hersteller*innen versprechen nussigen Geschmack und Cremigkeit in der Küche und preisen den Drink als Beigabe in Currys, Suppen, Dals, Müslis, Süßspeisen und Kaffee an. Auch Drinks aus Cashewkernen (aus botanischer Sicht wie die Mandeln Steinobst). Der Anbau von Cashews ist sehr aufwendig und findet vor allem in Indien, Tansania, Kenia oder Mosambik statt. Am Cashewbaum bilden sich sogenannte Cashew-Äpfel, in denen jeweils nur ein Cashew-Kern gebildet wird, der dann geerntet werden kann. Die cremige Konsistenz der Kerne kann vielen Gerichten der veganen Küche eine sämige Note verpassen. Auch die Kokosnuss keine „richtige“ Nuss, sondern eine einsamige Steinfrucht. Unter „Kokosmilch“ verstehen viele die reichhaltige, sahneartige Kokoscreme (mit etwa 230 kcal pro 100 ml), die integraler Bestandteil vieler asiatischer Küchen ist und als Grundlage cremiger Soßen dient. Das luftig-leichte Geschwisterchen, der Kokosdrink, hingegen enthält nur 39 kcal auf 100 ml, ist also wesentlich schlanker und deshalb auch weniger sämig in der Konsistenz. Kokosnussdrink ist ebenfalls frei von Gluten oder Soja und eignet sich gut für Allergiker. Jedoch zahlt man für die exotische Frucht einen Preis: Kokosprodukte haben aufgrund der langen Transportwege oft eine schlechte CO2-Bilanz. Auch die anderen, hier aufgeführten „Nuss“-Sorten sind, zumindest aus konventioneller Produktion bezogen, nur selten Umweltengel. Mandeln haben einen sehr hohen Wasserverbrauch, der aber immerhin trotzdem niedriger ist als der Wasserverbrauch bei der Herstellung von Kuhmilch. Viele Erntehelfer*innen in der Nussindustrie arbeiten unter schlechten Bedingungen, große Plantagen und Monokulturen erweisen sich als problematisch. Deswegen lohnt es sich beim Nuss- und Kernkauf, auf Fairtrade-Siegel und Bio-Qualität zu achten. Als Alternative mit Nuss-Aroma,die keine allzu weiten Wege zurücklegen muss, bieten sich Sonnenblumenkerne an. Auf dem Markt gibt es aktuell fast noch keine Drinks, dafür Fleischalternativen wie beispielsweise Hack. Trotzdem gibt es die Möglichkeit, sich einmal selbst am Herstellungsprozess eines Sonnenblumen-Drinks zu versuchen.
WAS GIBT’S NEUES?
Das Feld der Pflanzendrinks ist nicht nur weit, sondern gleichzeitig auch höchst dynamisch. Eine neue Markteinführung jagt die nächste, innovative Ideen scheinen den Produzent*innen nicht auszugehen. Eine spannende Entwicklung ist die Forschung an sogenannter „cellular milk“, deren Herstellungsverfahren dem von Laborfleisch ähnelt. Im Mai 2021 wurde in Spanien das erste „global incubation program for cellular agricultre technologies in the dairy industry“ gestartet, mithilfe dessen die nährstoffoptimierte Zellmilch hergestellt werden soll. Bisher konnten erste Erfolge mit Zellen von Kühen, Schafen, Ziegen und Kamelen erzielt werden. Die große Vision der Forscher*innen und Hersteller*innen ist es, aus der Zellmilch auch Butter, Käse und Joghurt zu fabrizieren und so einen Großteil der Emissionen und des Leids einzusparen, das mit der konventionellen Tierhaltung einhergeht Ein weiterer, etwas mehr auf dem Teppich gebliebener Trend setzt auf Pulver. Die Hersteller*innen verkaufen ihre Pflanzendrinks in Pulver- oder Tabform – zu Hause müssen die Verbraucher*innen selbige nur noch mit Leitungswasser anrühren und schon steht die fertige Milchalternative auf dem Tisch. (siehe dazu auch S. 18/19, Ausgabe 02/22: The Green Planet Issue). Das spart nicht nur Verpackungsmaterial, sondern auch CO2 beim Transport und punktet durch lange Haltbarkeit und einfache Portionierung.