Foto: Blanvalet Verlag
Sie hat unzählige Morde begangen, Intrigen eingefädelt und wird dafür gefeiert. Mit weit mehr als 20 Millionen verkauften Romanen zählt Charlotte Link zu den erfolgreichsten Autoren Deutschlands. Ein Gespräch über Tierrecht, Gesellschaft und ihr neues Buch.
Sie wollten ja eigentlich gar keine Schriftstellerin werden, sondern haben Jura studiert. Wie ich hörte, auch, um sich für Tierrechte zu engagieren?
Das ist tatsächlich ein bisschen übertrieben. Ehrlicherweise war das nicht mein Grundmotiv. Ich bin nur irgendwann gefragt worden, ob ich mich als Juristin auch für Tiere einsetzen würde und habe diese Frage mit „Ja natürlich.“ beantwortet. Aber als Jurist muss man sich schon etwas breiter fächern, wenn man wirklich davon leben möchte.
Charlotte Link als Richterin oder Anwältin. Wie würden Sie sich für Tierrechte einsetzen?
Das Problem ist ja leider, dass Tiere in unserer Gesetzgebung immer noch zu wenig vorkommen und komplett unzureichend geschützt sind. Das würde auch einen Juristen einschränken. Ich habe in Heidelberg mal einen Prozess gegen Leute beobachtet, die Tiere aus einem Versuchslabor befreit haben. Die wurden vom berühmten Strafverteidiger Rolf Bossi vertreten, der ein sehr überzeugendes Plädoyer über die Frage der moralisch-ethischen Verantwortung gehalten hatte. Dass ein Verstoß gegen das Gesetz noch nicht ein Verstoß gegen das Recht sein muss. Ich hätte wahrscheinlich in solchen Prozessen diesen Aspekt betont und vielleicht auch Publikationen dazu veröffentlicht.
Ich habe gelesen, dass Sie sich für Straßenhunde engagieren. Dann hat mir eine Kollegin eine Zeitschrift gegeben, in der man Sie mit Ihren Findelhunden sieht.
Da gibt es das eine Bild, ich sitze im Garten und man sieht meinen griechischen Straßenhund. Auf dem Foto ist dieser Hund eigentlich ganz zu sehen, und dieser Hund hat nur drei Beine. Ich habe gesagt, ich möchte, dass man das sieht. Da die Welt in diesen Zeitschriften aber immer ein bisschen schöner sein soll als sie tatsächlich ist, haben die das so zurechtgeschnitten, dass man den Hund nur halb sieht und das fehlende Bein nicht bemerkt. Das sind Dinge, die mich ärgern. Entweder man porträtiert mich, dann bitte richtig, aber nicht so.
Wie engagieren Sie sich denn noch für Tiere?
In der Hauptsache, indem ich Organisationen unterstütze, von denen ich denke, dass sie sehr gute Arbeit machen und seriös sind. Zudem unterstütze ich im Moment den Aufbau eines Tierasyls und einer Tierklinik in Sofia, Bulgarien, denn das Straßenhund- und Katzenproblem ist dort gigantisch. Letzten Endes profitieren aber auch die Menschen davon, da natürlich Pfleger und Betreuer gebraucht werden, d.h. es entstehen Arbeitsplätze.
Glauben Sie, dass Sie als bekannte Schriftstellerin besser auf diese Thematik aufmerksam machen können als als Anwältin oder Richterin?
Das glaube ich schon. Als Anwältin oder Richterin würde ich keine Interviews geben, ich würde nicht in Zeitschriften porträtiert werden. Es gibt eigentlich kein Interview, in dem ich nicht darüber spreche, aber die Bereitschaft der Presse, dieses Thema
aufzunehmen, ist gering. Ich lese manchmal Gespräche mit mir, da habe ich lange über Tierschutz gesprochen und das wird nur in einem halben Satz erwähnt.
Das liegt wohl daran, dass sehr viele Leute dieses Thema immer zur Seite schieben, sich gar nicht damit beschäftigen und auch die Schwere des Ganzen nicht erkennen.
Ja, es wird verdrängt, denn ohne Verdrängung müsste man Konsequenzen für das eigene Leben ziehen. Wenn ich über Tierschutz spreche, merke ich, dass mich die meisten in diesem Augenblick als sehr lästig und nervend empfinden. Ich glaube aber, dass der Schutz des Menschen schon mit dem Tierschutz anfängt. Jede Form von Gewalt, die eine Gesellschaft akzeptiert, erhöht auch die Möglichkeit von Gewalt gegen Menschen. Wenn wir Schlachthöfe und Schlachttiertransporte normal finden, dann haben wir bereits eine Hemmschwelle gesenkt und befinden uns schon in einem gefährlichen Fahrwasser.
Mir ist in Ihrem Buch „Das andere Kind“ aufgefallen, dass Sie das „Klavierspielen“, eine grausame Methode in Spanien, um Hunde zu töten, in den Kontext eingebaut haben. Machen Sie so öfters auf das Unrecht an Tieren aufmerksam?
Ich glaube, das war nur dort. Ich achte sehr darauf, ob es passt. Ich hüte mich davor, den Lesern auf Schritt und Tritt meine Meinung zu oktroyieren, ob das jetzt in den Kontext passt oder nicht. Das führt nämlich nur dazu, dass sie die Bücher nicht mehr
lesen. Also nur wenn es schlüssig ist – beim „anderen Kind“ war das so eine Szene – aber dann warte ich drei bis vier Bücher und vielleicht passt es ja dann auch wieder.
Nach all den Jahren und vielen Büchern, wie viel von einem selbst fließt da noch ein? Oder versucht man das zu verhindern?
Man fließt natürlich ein. Die Menschen, die ich schildere, sind zwar teilweise völlig anders gestrickt als ich, aber trotzdem werden sie durch meine Brille gesehen. Ich versuche, als Autorin einen Beobachterposten einzunehmen. Ich glaube, ich kann die
Dinge besser und objektiver beschreiben, wenn ich ein Stück abseits stehe. Aber inwieweit mein eigenes Wesen einfließt: mir hat mal eine Leserin geschrieben – und die wusste nicht, dass ich Vegetarierin bin: „Also was mich ja stört, in Ihren Büchern essen die Charaktere immer Spaghetti oder Pizza und nie mal einen schönen Braten oder so.“ Ich habe das nicht bewusst gemacht, aber mir kommt es eben gar nicht in den Sinn, ein Fleischgericht zu beschreiben. […]
Das ganze Interview mit Charlotte Link gibt’s ab Seite 14 in der Dezember/Januar-Ausgabe 2015/16, die Sie hier bestellen können. Alle Hefte schicken wir Ihnen portofrei zu.