Man kann sie weder kaufen noch durch viel Arbeit erlangen: Liebe passiert oder passiert nicht. Wie wir unserem Glück trotzdem ein wenig auf die Sprünge helfen können und worauf besonders Veggies achten sollten, darüber sprachen wir mit dem Psychologen und Mitbegründer der Dating-Plattform Gleichklang, Guido F. Gebauer.
Interview: Susann Döhler
Eine vegan lebende Freundin ist schon länger Single. Sie hat sich mit
verschiedenen Männern getroffen, aber es kam nicht zu einer Beziehung. Ihre Mutter sagt, sie solle weniger strikt mit dem Veganismus sein und auch mal ein Bier trinken. Dann würde sie auch leichter einen Freund finden. Was sagen Sie dazu?
Man sollte sich richtig vorstellen: Man hat jetzt eine Beziehung mit einem veganen Mann und danach sollte man sich vorstellen, man hat eine Beziehung mit einer Person, die Fleisch isst. Es ist wichtig wahrzunehmen, was das mit einem selbst macht. Wir wissen aus Umfragen, dass bei denen, die eine Beziehung mit einer fleischessenden Person eingegangen sind und diese Person sich nicht verändert hat, die Sehnsucht nach einer veganen Beziehung bestehen bleibt. Das Maximum an Glückspotenzial, das sich aus der Gemeinsamkeit der Werte ergibt, das Gefühl, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wird man als Veganer mit einem Fleischesser nicht erreichen. Außer wenn diese Person daran interessiert ist, vegan zu werden. Das ist auch bei unserer Dating-Plattform Gleichklang so: Wir fragen ab: „Willst du vegan werden?“. Da kann man sich dann überlegen, ob man nur Veganer sucht oder ob es auch okay ist, wenn der Partner vegan werden möchte. Viele finden das ja auch gut, haben nur noch nicht den Schritt gemacht. Kurzum: Sie sollte es nicht nur auf Veganer einschränken, aber sie sollte in sich gehen und sich selbst nicht ganz vergessen und dann aus der Not heraus eine Beziehung
beginnen …
Ja, hinterher ist die Beziehung nicht erfüllend …
Man sollte nach Menschen suchen, die mindestens zur Grundhaltung passen. Die Frage lautet: Wie stark ist der Veganismus in der Grundüberzeugung der Person verankert? Wenn so ein stark ethisch geprägter Veganismus vorliegt, der mit Tierrechten verknüpft ist, was ja sehr oft der Fall ist, dann will ich ja nicht meine Kinder mit Fleischgerichten großziehen. Ich habe dann ja ein schlechtes Gewissen und das Gefühl, ich tue etwas Falsches. Wenn ich mir dann einen Partner suche, mit dem ich Kinder haben möchte, der das ganz anders sieht, dann sind Konfrontationen vorprogrammiert. Das kann anders sein, wenn ich nur aus gesundheitlichen oder ästhetischen Gründen vegan lebe. Manche machen es nur, um abzunehmen. Je stärker die Gründe in der Ethik verankert sind, desto wichtiger ist es dann auch bei der Partnersuche.
Sie empfehlen, um jemanden zu finden, der zu einem passt, wirklich ehrlich zu sein. Was heißt das?
Ehrlich sein heißt, dass wir uns so vorstellen, wie wir sind. Ganz authentisch. Wir sagen, was wir suchen. Es gibt Studien dazu, dass selbst geringfügige Abweichungen z.B. eines Fotos oder Angaben des sozioökonomischen Status im Dating-Bereich zu starker Verärgerung führen und dass das Interesse dann auch wirklich sinkt.
Da Sie die Fotos ansprechen: Fast alle Bilder sind bearbeitet. Was macht man, wenn man Hemmungen hat, sich so zu zeigen, wie man wirklich ist?
Grundsätzlich bleibt es dabei: Ehrlich zu sein ist wichtig. Und man sollte sich
eines auch noch mal klar machen: Auch mit sogenannten Makeln kann man einen Menschen finden, der gerne mit uns eine Beziehung eingeht. Da muss man ja nur durch die Stadt gehen. Schauen Sie sich die vielen Menschen an, die verschiedenen Gewichts- und Gesundheitsklassen, die verschiedenen Hauttypen, Menschen mit und ohne Handicap. Die meisten haben irgendwann eine Partnerschaft gefunden. Das Problem ist auch: Wenn Sie etwas verschweigen, ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass Ihr Gegenüber Sie dann ablehnt und abweist. Er ist ja mit Ihnen in Kontakt getreten, weil er etwas anderes erwartet hat.
Vielleicht sollte man auch schon mal mit der Veränderung beginnen, wenn man anders sein möchte …
Ja, genau. Da kann man die Partnersuche ja auch noch mal zwei bis drei Monate aufschieben. Wenn man wirklich ein Problem hat, das einen belastet, kann man die Partnersuche auch als Motivation zur Veränderung nehmen. Wer wirklich nicht mit seinem aktuellen Foto beginnen will, der sollte kein falsches Bild nehmen, sondern erst an sich arbeiten und sich dann mit einem richtigen Foto zeigen.
71 Prozent der Deutschen glauben immer noch an die einzige, wahre Liebe. Sie sprechen über unterschiedliche Varianten der Liebe. Ist die leidenschaftliche Liebe besser als die kameradschaftliche Liebe?
Nein, und diese Einstellung sogar gefährlich, weil man sich damit eine sehr wertvolle Liebesmöglichkeit verscherzt, weil man glaubt: Wenn ich nicht sofort diese großen Gefühle entwickle, diese Leidenschaft, diesen Wahnsinn, diese Manie, diese Verliebtheit, dann kann es ja keine Liebe sein und es ist nicht die richtige Person. Das ist ein Irrtum!
Inwiefern?
Im Teenager-Alter ist es häufiger noch leidenschaftlicher, das stimmt schon – aber gerade mit zunehmendem Alter kommt es immer häufiger vor, dass Beziehungen sehr viel ruhiger beginnen, mit einer Sympathie und Zuneigung, die sich dann über weitere Begegnungen und die Feststellung von Gemeinsamkeiten und Lebenszielen, gemeinsame Perspektiven vertieft. Wichtig: Es ist keine reine Kameradschaft. Das ist Liebe, die sehr auf Fürsorge, Gemeinsamkeiten und gemeinsamer Lebensplanung ausgerichtet ist. Wenn man diese Personen direkt nach der Liebe zum Partner fragt, geben diese höhere Werte an als die, die eine leidenschaftliche, manchmal ja auch
schon besessene Form der Liebe leben. Letztere ist auch sehr egozentrisch. Sie ist auf das intensive Erleben fokussiert, aber weniger auf das echte Interesse am Partner als Mensch und an der gemeinsamen Zukunft. Mein Rat ist: Wenn die leidenschaftliche Liebe kommt, ist das gut. Das kann man genießen. Man sollte dann aber auch daran arbeiten, gemeinsame Ziele zu haben, um auch die kameradschaftliche Seite zu aktivieren. Wenn die leidenschaftliche Liebe nicht da ist, ist das auch nicht schlimm. Solange Sympathie und Zuneigung vorhanden sind und man spürt, dass beides sich mit der Zeit vertieft, kann auch daraus eine vollständige und sehr wertvolle Liebesbeziehung entstehen.
Liebt denn immer einer mehr?
Nein. Das kann vorkommen, muss es aber nicht. Allerdings: Es gibt etwas, das wir gerne in Beziehungen ausblenden und nicht drüber reden: Man liebt den Partner nicht immer in der gleichen Intensität. Das kann schwanken in Abhängigkeit zu bestimmten Situationen, persönlichen Umständen, Dingen, die einen dann stören. Das muss keine Katastrophe sein, aber man sollte hinschauen, ob man irgendetwas tun kann, um wieder etwas mehr Nähe in eine Beziehung zu bringen. Grundsätzliche Schwankungen sind ganz normal.
Sie empfehlen für eine erfüllende Partnerschaft das Konzept Beziehung
insgesamt vielseitiger und nicht nur in den bekannten Kategorien zu betrachten. Was bedeutet das?
Es gibt unterschiedliche Ebenen der Beziehungsgestaltung. Eine ist: Wie gehen wir mit Sexualität und Romantik in einer Beziehung um? Das klassisch-monogame Zweierbeziehung-Modell sagt: Liebe ist exklusiv. Das heißt, zwei Personen lieben ausschließlich einander und keinen anderen romantisch und haben ausschließlich Sex miteinander und mit keinem anderen. Dann gibt es noch die konsensuelle Nicht-Monogamie. Es gibt eine Studie, dass 20 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal in so einer Beziehung gelebt haben. Es ist zwar nicht das Mehrheitsmodell, aber es kommt durchaus vor. In der LGBTQ-Community ist es schon fast der Regelfall. Bei Heterosexuellen ist das anders.
Was sagen Studien zur Beziehungszufriedenheit in nicht-monogamen Beziehungen?
Da gibt es eine ganze Reihe. Diese Beziehungsform erreicht im Durchschnitt die gleiche Beziehungsstabilität wie eine monogame Zweierbeziehung. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass bestimmte Unterformen in einigen Komponenten überlegen sein könnten. Auch gibt es Studien zur Polyamorie. Da gibt es Primär- und Sekundärpartner. Mit dem Primärpartner waren die Befragten dann meistens länger zusammen, leben auch zusammen, Sekundärpartner sind etwas weiter entfernt. Trotzdem haben sie mit beiden eine Liebesbeziehung. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Personen in polyamoren Beziehungen mit den Primärpartnerinnen mehr Fürsorge erleben und mit den Sekundärpartnerinnen mehr sexuelle Leidenschaft, aber dass das Gesamtmaß an Sex und Fürsorge bei polyamoren höher ist als bei monogamen Paaren. Dann gibt auch noch die offene Beziehung. Man sollte in sich gehen und überlegen, welche Beziehungsform man möchte. Je ehrlicher alle sind, desto höher die Chance für alle, das zu finden, was sie auch glücklich macht.
Auch ist es wichtig zu wissen, wie viel räumliche Nähe man insgesamt haben möchte, sagen Sie.
Ja. Wie nah wollen wir jemandem sein? Zusammenleben hat Vorteile, aber auch Nachteile wie Routine und Konflikte. Andere sagen: lieber getrennt in verschiedenen Wohnungen. Das kann für Menschen, die sehr unabhängig sind, eine sehr gute Sache sein.
Zwei Kolleginnen vertreten stark die Ansicht: Zwei Wohnungen sind besser als eine …
Ja, das ist so, wenn man sehr unabhängig ist. Unsere Wünsche sagen auch viel über uns selbst aus. Über moderne Kommunikationsmittel und Treffen kann auch eine Fernbeziehung gut funktionieren. Sicherlich vermisst der Partner/die Partnerin auch die Präsenz, aber dafür bleibt sie auch etwas sehr Schönes, Exklusives und typische Abnutzungserscheinungen durch z.B. Ärger um Kleinigkeiten treten zurück, die Begegnungen stellen die Partnerschaft mehr in den Vordergrund. In der Gesamtbilanz kann diese Beziehungsform auch sehr glücklich werden. Die meisten denken ja: Das geht gar nicht. Irrtum! Sehr viele Personen, die mit einer Fernbeziehung starten, wollten gar keine und dann sehen und lernen sie: „Mensch, das geht ja auch.“ Das eröffnet natürlich auch noch mal ganz neue Optionen, nach der Passung, den wichtigen Merkmalen, zu gucken. Zum Beispiel: Ich lebe in einem Dorf, bin vegan und suche einen veganen Partner. Der soll auch noch in der Nähe wohnen. Da wird es schon schwieriger. Weitet man die Suche räumlich aus, kann man die Passung viel stärker in den Vordergrund stellen, sie prüfen und sich auch lieben lernen. Viele schaffen das auch. Wenn es nicht gelingt, dann war die Partnerwahl vielleicht auch nicht die richtige.
Was ist, wenn das Thema Torschlusspanik auftaucht?
Gerade dann setzt man sich sehr unter Druck – das muss nicht sein! In jeder Altersklasse werden Partnerschaften geschlossen und es gibt eine Menge an Literatur über neue Partnerschaften im hohen Lebensalter. Es ist wichtig, die Partnersuche aus der Ruhe heraus anzugehen. Erst wenn man sagt: Ich kann als Single glücklich sein, aber ich möchte gerne eine Beziehung, erst dann habe ich die Freiheit, mich für eine Partnerschaft zu engagieren. Wenn man jetzt denkt: Oh Hilfe, alle anderen haben eine(n), ich muss jetzt jemanden finden, dann lässt man sich womöglich auch auf eine Beziehung ein, die später vielleicht toxisch ist, nicht tragfähig, nicht glücklich. Wichtig ist, sich aus Stabilität und eigenem Erleben heraus freiwillig auf Partnersuche zu begeben.
INFO:
Guido F. Gebauer studierte Psychologie in Trier, Berlin und Cambridge (Großbritannien). Sein Promotionsthema: Zusammenhänge zwischen unbewusstem Lernen und Intelligenz. Es folgten eine rechtspsychologische Ausbildung, die Arbeit in der forensischen Psychiatrie sowie eine zehnjährige Tätigkeit als Gerichtsgutachter. Er ist Mitgründer der psychologischen Kennenlern-Plattform Gleichklang, die Interessierte bei der Partner-, Freundschafts- und Reisepartnersuche unterstützt. Gebauer lebt seit 32 Jahren vegan. In seinem jüngst erschienenen Ratgeber „A Perfect Match?“ widmet er sich der Online-Partnersuche und beantwortet wichtige Fragen über Wünsche, Partnerwahl, Beziehungsmuster und Erhalt von Glück.