„Life is a journey, not a destination“ – so sangen Aerosmith 1993 in ihrem Hit „Amazing“ und behielten recht. Reisen ist eine tolle Angelegenheit, die den eigenen Horizont erweitert und eine willkommene Abwechslung zum alltäglichen Leben bietet. Noch besser, wenn man dabei die Umwelt schont. Über das achtsame Erkunden neuer Orte.
Autorin: Jacqueline Flossmann
Vorbei sind für viele die Zeiten des strikt durchgetakteten All-Inclusive-Urlaubs.Zahlreiche Menschen wollen heute bei ihrer Urlaubsgestaltung möglichst abseits von totgetrampelten Tourismuspfaden wandeln und Land und Leute ihrer Reisedestination richtig kennenlernen. Man möchte sich treiben lassen, Neues erleben, unbekannte Sprachen, Gerüche, Geschmäcker, Sitten und Gepflogenheiten in sich aufsaugen. Doch auch das losgelöste Jetsetleben – heute hier, morgen ganz woanders – erleidet trotz seiner traumhaften Versprechungen einen Imageschaden. Das liegt vor allem an der voranschreitenden Dynamik der Klimakrise, an deren raschem Heranrollen der westliche Lebenswandeln und Konsum beteiligt ist. Laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen entstehen ganze 5 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes der Welt pro Jahr im Tourismussektor. Für den Großteil dieser 5 Prozent ist der Anund Abreiseverkehr von Urlaubswilligen verantwortlich. Vor allem Auto und Flugzeug sind gern gewählte Transportmittel und stoßen ordentliche Emissionen aus. Alleine auf Deutschland gerechnet bewegen sich jährlich etwa 55 Millionen Menschen auf längeren Reisen, weiteren 35 Millionen machen Kurzurlaub. Auch bei langen Autofahrten wird jede Menge CO2 ausgestoßen, darüber hinaus fällt bei vielen Reisen mehr Müll an als im Alltag. Müssen nun alle Menschen, denen Klima und Kultur am Herzen liegen, auf Reisen verzichten? Vielleicht ein etwas radikaler Ansatz. Deswegen lautet die Antwort auf diese Frage: Nein. Aber mit ein bisschen Planung und Information kann man seine Reisen so umweltfreundlich, respektvoll und achtsam wie möglich gestalten.
Die Fortbewegung
Es dürfte keine Überraschung sein: Bei Flugreisen werden am meisten Emissionen ausgestoßen. Vom Umweltstandpunkt aus betrachtet sollte pro Person nur alle acht Jahre ein Langstreckenflug und alle drei Jahre ein Kurzstreckenflug genommen werden. Sollte dies keine Option darstellen, ist es sinnvoll, wenn der Urlaub im Verhältnis zur Flugdauer steht. Je länger man also in der Luft unterwegs ist, desto länger sollte auch der Urlaub vor Ort dauern, damit es sich wirklich lohnt. Zudem kann freiwillig ein CO2-Aufschlag bezahlt werden, um die anfallenden Treibhausemissionen zu kompensieren. Spannend: Das Essensangebot an Bord wird immer pflanzlicher: Viele Fluggesellschaften bieten mittlerweile veganes, vollwertiges Essen an. Wer in so manch eine Menükarte schaut, wird erstaunt sein! Auch Kreuzfahrtschiffe sind sehr belastend für die Umwelt. Um Gewässer zu überqueren, empfehlen sich eher Schiffsfähren, die immerhin weniger CO2 ausstoßen als beispielsweise Autos. Am umweltfreundlichsten reist man mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Reisebussen, Bahnen (Deutschlandticket!) und dem ÖPNV. Völlig emissionsfrei sind natürlich Wanderreisen zu Fuß oder Ausflüge auf dem Fahrrad. Auf diese Optionen kann man gut umsteigen, wenn man das Reiseziel erreicht hat.
Ich packe meinen Koffer:
So trivial es klingt, so ist das richtige Packen doch ein Faktor, dem man Beachtung schenken kann. Denn je durchdachter, also weniger, man einpackt, desto mehr Emissionen spart man. Egal ob im Flugzeug, in Bus, Bahn oder Auto, die Faustregel lautet: Je leichter das Reisegepäck, desto sparsamer fliegt oder fährt auch das Transportmittel. PS: Auch die Digitalisierung spart ordentlich Gewicht im Koffer. Mit dem Smartphone oder Tablet lassen sich Karten, Bücher und Tickets platzsparend transportieren.
Grüne Unterkünfte
Wer kennt sie nicht, die Strandfotos in der Hochsaison, wo die Menschen wie die Sardinen in der Büchse nebeneinander am Strand liegen und die Sonnencreme einen Film auf dem Meerwasser bildet. Solche Aufläufe gilt es zu vermeiden, weshalb es sich lohnt, seinen Urlaub selbst zusammenzustellen, statt eine Pauschalreise zu buchen. Als umweltfreundlichere Alternativen zu großen Hotels bieten sich Ferienwohnungen, Airbnbs, Camping, Glamping,Couchsurfing oder kleine Bio- und/oder vegane Hotels an. Diverse Plattformen wie beispielsweise fairweg.de, das „Forum anders reisen“ oder „Good travel“ helfen bei der Suche nach Unterkünften, die Wert auf Ökologie und Nachhaltigkeit legen. Dort wird dann beispielsweise auf pflanzliche oder biologische Lebensmittel gesetzt, die Textilien sind aus Ökostoffen,der Strom kommt aus Solaranlagen, es gibt E-Ladestationen und vieles mehr. Weitere hilfreiche Labels beim Reisen, die auf den Nachhaltigkeitsaspekt hinweisen, sind das EU-Ecolabel, Ibex Fairstay, Viabono, Green Globe, Travellife oder Green Key, um nur einige zu nennen.
Achtsamkeit
Ein typisches Phänomen: Im Urlaub ist man unbeschwerter als zu Hause und außerdem oft spontaner unterwegs. Da passiert es schnell, dass sich kleine Müllberge ansammeln. Im Schnitt häufen Gäste pro Nacht im Hotel doppelt so viel Müll an wie zu Hause und verbrauchen mehr Ressourcen. Dem kann man entgegenwirken, indem man in der Unterkunft selbst nicht verschwenderisch ist. Man kann die Klimaanlage und das Licht im Auge behalten, nicht unnötig Wasser verplätschern, nicht jeden Tag Handtücher und Bettwäsche wechseln lassen und im Hotel Einwegprodukte und die kleinen Probierfläschchen im Badezimmer – so verlockend es auch sein mag – einfach stehen lassen und stattdessen selbst mitgebrachte, feste Kosmetik in Form von Shampoobars & Co. verwenden. Eine Trinkflasche, wiederverwendbares Besteck, eine Brotzeitdose oder Stofftücher gehören zur Grundausstattung im leichten Gepäck, um auch auf Reisen flexibel zu bleiben und möglichst plastikfrei leben zu können.
Nachhaltige Kulinarik
Gerade im Urlaub macht regional und saisonal essen so richtig Spaß. Schließlich ist es doch ein herrlicher Zeitvertreib, über Märkte und Basare zu schlendern und sich dort durch regionale Köstlichkeiten zu probieren. Auch selbst kochen ist ressourcenschonend, wenn man auf die Zutaten achtet und auf tierische Produkte verzichtet. Nach wie vor sehr hilfreich: die App „Happy Cow“. Beliebt sowohl bei internationalen Stars, die beruflich viel unterwegs sein, aber auch bei Urlauber*innen: Einmal alle Eckdaten ausgewählt, zeigt dir die App vegetarisch-vegane Essenmöglichkeiten in deiner Umgebung an.
Grundsätzliches
Eigentlich ist es selbstverständlich, dass man die Natur am Reiseziel so hinterlässt, wie man sie vorgefunden hat. Das bedeutet, dass man keinen Müll liegen und die Finger von der Natur lässt, auch wenn beispielsweise die hübschen Wildblumen noch so sehr zum Pflücken einladen. Wer besonders engagiert ist, kann sogar eine kleine Sammelaktion starten und im Urlaub ein bisschen Müll, beispielsweise am Strand, aufsammeln. Auch auf allzu große Lautstärke sollte verzichtet werden, um Wildtiere zu schonen. Aus Tierschutzgründen sollte man keine Tiershows besuchen und bei Souvenirkäufen unbedingt darauf achten, Stücke ohne Tierteile zu kaufen.
SLOW TRAVEL
Eine Form des nachhaltigen Reisens nennt sich „Slow Travel“. Diese Praktik fokussiert – ähnlich wie die ebenfalls aus Italien stammende Bewegung „Slow Food“ – die individuellen Erfahrungen im Urlaub und markiert einen absichtlichen Gegenentwurf zum Massentourismus. Statt stoisch eine Sehenswürdigkeit nach der anderen abzuklappern, geht es hier um das Mindset des „Sich-treiben-Lassens“. Langsam Reisende gehen respektvoll und interessiert mit Land und Leuten des Urlaubszieles um.
WARUM IN DIE FERNE SCHWEIFEN?
Schon klar, die meisten träumen von Urlaub an glasklaren Gewässern mit
weißen Stränden, von unwirklichen Panoramen und Abenteuern in der
Ferne. Doch auch Alternativen in der direkten Nachbarschaft können ihren
ganz eigenen Charme entwickeln und werden oft unterschätzt. Die Empfehlung unserer Redakteurin:
Großstadtgeflüster: Berlin oder Hamburg statt New York.
Kulturreise: UNESCO-Welterbestätten wie Weimar, Potsdam, Bayreuth u.v.m.
Bergliebe: Sport und Abenteuer in den Alpen oder im Harz
Deutscher Amazonas: Bootstour durch das Wasserlabyrinth im Spreewald
Wellness pur: In einem der zahlreichen (Bio-)Hotels in Niederbayern mit veganen Essens-Optionen
Strandvergnügen: Ostsee statt Mallorca
Surf-Spaß: Nordseeküste statt Atlantik
Outback zu Hause: Mecklenburgische Seenplatte statt schwedischer Idylle
Gaumenfreuden: rein vegane Hotels, Restaurant: „Tian“ (München/Wien)