Diese Aussage kann jeder Vegetarier oder Veganer bestätigen. Doch sie bezieht sich bei Leonie Giebel nicht nur auf die Ernährung, sondern auch auf ihren Sport. Die 21-Jährige ist Profiboxerin.
Und nicht nur das. Seit 23. November 2013 hat die Veganerin den deutschen Meistertitel im Superfedergewicht inne. Eine mehr als starke Leistung in einem Sport, in dem ihre männlichen Kollegen die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Doch der Reihe nach …
Früh sammelt Leonie erste Erfahrungen im Kampfsport. „Ich habe schon mit sieben Jahren angefangen, Ju-Jutsu zu machen.“ Darin bestreitet sie ihre ersten Wettkämpfe. Doch nach sieben Jahren wird ihr das zu langweilig und sie sieht sich nach einer neuen Sportart um. „Bei uns in der Nähe gibt es die Sportschule Tosa Inu, die auch Frauenboxen anbietet. Und wenn ich einen Sport mache, dann richtig. So war auch schnell klar, dass ich Kämpfe bestreiten will.“ Mit 16 Jahren hat sie ihren ersten. 2011 erhält sie ihre Profi-Lizenz. Die Bilanz seitdem: 6 Kämpfe. 5 Siege. 1 Unentschieden. In all diesen Jahren konnte sie auf die Unterstützung ihres Umfelds bauen. „Meine Familie ist ziemlich kampfsportbegeistert und unterstützt mich total. Auch meine Freunde. Die kommen immer zu meinen Kämpfen. Anders könnte ich das wahrscheinlich auch alles gar nicht schaffen.“
Das betrifft auch Leonies Ernährung. Vor ungefähr zweieinhalb Jahren begann sie, sich vegetarisch zu ernähren, seit ein paar Monaten isst sie vegan. „Ich habe schon immer wenig Fleisch gegessen, aber dann hatte ich ein Schockerlebnis: Ich habe alle Leute um mich herum totes Tier essen sehen.“ Aus einem veganen Tag in der Woche wurde die komplette Umstellung. Dabei is(s)t sie nicht allein, denn ihre Familie findet das richtig gut. Auch ihr Bruder wurde zum Vegetarier. Kommt Leonie vom Studieren nach Hause, hat ihre Mutter etwas Veganes zubereitet und alle essen mit. Und wenn sie mit ihren Freunden kocht, dann ebenfalls vegan. Viele essen bereits wenig Fleisch. „Bei den meisten hat das moralische Gründe. Aber einige finden einfach interessant, was so möglich ist und sind immer wieder überrascht“, erklärt sie die Einstellung ihrer Freunde.
Diese Unterstützung ist nicht die einzige Parallele zwischen Leonies Sport und ihrer Ernährung. Beides erfordert Hingabe. „Boxen beansprucht deinen kompletten Körper und Geist. Du musst dich konzentrieren, brauchst aber auch körperliche Stärke. Es spielt alles zusammen und man muss alles daran anpassen. Denn Boxen ist nicht nur ein Sport. Du musst auch die richtige Lebenseinstellung haben.“
Das ist für sie die größte Herausforderung, denn oftmals muss sie auf etwas verzichten. Vor allem in der Vorbereitungsphase auf einen Kampf hat sie sehr wenig Freizeit. Jedoch merkt sie die Vorteile des Veganismus. „Ab dem Zeitpunkt als ich Vegetarierin wurde, habe ich mich viel leichter und fitter gefühlt. Als ich mich dann vegan ernährte, habe ich auch noch mal gemerkt, dass ich nicht mehr so träge bin.“ Als Boxerin muss Leonie ihr Kampfgewicht halten. Auch das fällt ihr als Veganerin leichter. Dabei hat sie keinen strikten Ernährungsplan. Sie ernährt sich einfach sehr gesund und vielfältig, achtet darauf, wie sie sich am besten fühlt und isst im Grunde, worauf sie Lust hat. Mit extremen Gewichtsschwankungen vor und nach den Kämpfen, wie sie sie vor ihrer Umstellung kannte, hat sie nicht mehr zu kämpfen. Kritik aus der Boxgemeinde erfährt sie wegen ihrer Ernährung nicht. „Manche fragen dann schon, was ich so esse und wie ich dann noch kämpfen will. Aber die kritisieren mich nicht.“ Wobei Leonie merkt, dass sich der ein oder andere „Fleischesser“ beim Thema Veganismus immer noch angegriffen fühlt. Jedoch versucht sie, keinem ihre Meinung aufzuzwingen.
Meistens ist es auch eher das Boxen, das die Leute überrascht oder die Kombination aus Sport und Ernährung. Die gängige Reaktion: Interesse. „Mädels finden es immer total cool, dass ich boxe. Von Jungs kommt meist auch nur Positives. Hin und wieder bringen die jedoch auch mal einen Spruch wie: ,Als ob Frauen richtig trainieren würden‘. Aber das stecke ich einfach weg.“ Generell ist Leonie der Meinung, dass das Frauenboxen in den letzten Jahren immer populärer geworden ist. Ungerechtigkeiten sieht sie trotzdem noch immer. „Wenn ich auf Veranstaltungen kämpfe, sind da meistens ungefähr neun Männerkämpfe und ein Frauenkampf. Ich glaube nicht, dass viele Leute aus dem Publikum kommen, um die Frauen zu sehen. Aber eigentlich finde ich das ganz gut. Da kann ich beweisen, dass auch in uns viel steckt.“ Den einen oder anderen Skeptiker konnte sie so schon überzeugen. Aber Lob und Zugeständnisse nach einem Kampf tun nicht nur Leonie gut. „Ich finde es immer schön, wenn man den Leuten auch das Frauenboxen näher bringen kann.“
Das nächste große Ziel? Ein internationaler Titel. Dafür fühlt sie sich in Deutschland gut vorbereitet. „In jedem Land gibt es natürlich eine andere Boxschule. Aber ich mag die deutsche ganz gerne. Die ist sehr technisch. Ich bin auch eher eine technische Boxerin.“ Ein Vorbild hat Leonie nicht und findet das auch ganz gut so. Sie macht eben ihr Ding. So hat sie selbst in insgesamt 15 Kämpfen schon viel erreicht. Auf die Frage, worauf sie diese Erfolge zurückführt, überlegt sie kurz und entgegnet lachend: „Das weiß ich auch nicht so genau. Das ist schwer zu sagen. Ich gebe eben immer alles.“