Vegan-Kolumne: Leben und leben lassen?

Unser Kolumnist kann es nicht mehr hören!
Der Graslutscher

Wisst ihr, welchen Satz ich von Fleischessern wirklich nicht mehr hören kann? „Leben und leben lassen“. Ich werde nicht sauer oder so, wenn ich ihn höre – vielmehr resigniert mein Gehirn, schaltet auf Standby, so dass man ein paar Sekunden nur das Weiße in meinen Augen sehen kann und ich nicht ansprechbar bin. Aus Veggie-Sicht fragt man sich wirklich, ob das ein absurder Scherz sein soll – leben und leben lassen, seriously? Nur mal so zur Erinnerung: ICH bin der Typ, der Tiere töten nicht gut findet. Der Typ, der LEBEN LASSEN für ein ziemlich duftes Konzept hält. Wenn überhaupt irgendwer diesen Slogan für seine Position benutzen sollte, dann doch Veganern.

Aber ich habe schon verstanden: Es geht gar nicht wirklich darum, eine Kreatur leben zu lassen im Sinne von nicht zu töten, es geht darum, Menschen alles genau so machen zu lassen, wie sie es eben wollen. Ob Schiller den Ausspruch als Forderung nach ultimativ übertriebener Toleranz vor jedem Unsinn verstanden haben wollte in seinem Drama über den 30-jährigen Krieg, also auch als Verteidigung von Toleranz gegenüber dem Töten selbst? Wie auch immer, es gibt halt Dinge im Leben, da kann nicht einfach jeder machen, was er will. Wenn ich mit 120 Sachen durch eine 30er-Zone donnere, kann ich mich beim Richter auch nicht mit „Aber Euer Ehren, leben und leben lassen!“ rausreden. Sobald meine Freiheit die Freiheit der anderen beschneidet, ist „leben und leben lassen“ einfach nicht mehr mein Motto.

Gut, ich sehe da jetzt mal drüber weg und übersetze das Sprichwort mal in seine tatsächlich gemeinte Bedeutung. Das dürfte sinngemäß so was in der Richtung sein wie: Akzeptiert, dass andere Menschen die Dinge anders sehen. Akzeptiert, dass sie andere Musik hören, andere Klamotten tragen, andere Bräuche haben und eben auch andere Sachen essen als Ihr. Und das unterschreibe ich auch gerne, solange es sich um reine Fragen des Geschmacks handelt. Nur finde ich ein Lammfilet ja nicht wegen des Geschmacks blöd. Wir diskutieren ja auch nicht, ob Menschen mit Kindern im Auto Zigaretten rauchen dürfen, weil wir Zigarren viel toller finden, sondern weil das für Kinder einfach eine massiv beschissene Situation ist.

Und jetzt mal angenommen, es ginge hier wirklich nur um den Geschmack. Mal angenommen, das Ganze ist wirklich nur die Aufforderung, anderer Leute Essensgewohnheiten zu respektieren – wo genau ist das denn eine Stärke von Fleischessern? Bevor ich Fleisch von meinem Teller gestrichen hatte, musste ich mich nie dafür rechtfertigen, was da auf meinem Teller liegt. Aber seit ich Tofu in meinem Thai-Curry esse oder Haferdrink in den Kaffee kippe, fühlen sich andauernd irgendwelche Typen dazu berufen, mir ungefragt zu erklären, wie unfassbar blöd sie das finden. Weil das ja so wabbelig sei oder zu fest, weil es überwürzt sei oder zu fad oder auch einfach die Farbe zu helldunkel. Kurzum: Weil sie den Geschmack nicht mögen.

Oder noch besser: Weil die Form zu sehr an „echte“ Würste angelehnt ist. Da frage ich mich dann immer, was die selbsternannten Hüter der Toleranz aus einem Klumpen Seitan anfertigen würden, bevor er in ihrer Pfanne landet. Parallelogramme? Die Sphinx? Picassos Desmoiselles d‘Avignon? Oder doch den Klassiker, der etwas zeitsparender funktioniert und den die Fleischesser sich wiederum von Möhren abgeguckt haben?

Am Ende fordern da Leute Toleranz für Umweltzerstörung und Tiermisshandlungen, während sie gleichzeitig Regeln aufstellen, nach denen ich gefälligst mein Essen zu formen habe. Kannste Dir nicht ausdenken.

Weitere Informationen zu unserem Kolumnisten „Der Graslutscher“ findest du unter www.graslutscher.de.

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