Mille, können wir diese Welt retten?
Puh … Ob man die Welt retten oder radikal verändern kann, weiß ich nicht. Aber man kann in kleinen Schritten versuchen, einen Zustand zu erschaffen, der für alle das Leben angenehmer macht. Man sollte dabei nicht zu pessimistisch und realistisch sein, denn Euphorie gehört zum Leben dazu. Positives Denken ist essenziell.
Dabei nennt ihr eure Songs „Pleasure to Kill“, „World War Now“ oder „Satan is Real“ …
Ja, das klingt vielleicht etwas seltsam. (lacht) Unsere Songs werden oft als sehr dystopisch und lebensverneinend beschrieben. Wenn es nach mir ginge, dann würden sich alle gegenseitig respektieren und die Welt wäre schön. Aber das ist eben eine Utopie. Unsere Songs sollen zeigen: Die Welt ist nicht perfekt. War sie nie. Aber trotzdem: Weitermachen!
Die Titel und Texte der Songs sind ja auch eher als Metaphern zu verstehen, oder?
Genau. Das ist ein Code, der mit Übertreibungen arbeitet, um Emotionen auszulösen und vielleicht Dinge über sich selbst zu erfahren, von denen man nicht wusste, dass sie vorher in einem existiert haben. Bewusst übertreiben und damit in deinem Kopf etwas zu erzeugen – das versuche ich mit der Musik zu erreichen.
Und dementsprechend inszeniert ihr euch dann auch selbst …
Absolut. Die Inszenierung der Band – vor allem auf Fotos – ist sehr theatral und opulent. In unserem neuen Album geht es vor allem darum, wie wir in einer Art „neuen Dekadenz“ verankert sind, trotzdem immer ängstlicher werden und denken, dass man uns etwas wegnehmen möchte, obwohl wir wie die Maden im Speck leben. Die visuelle Inszenierung solcher Inhalte ist uns sehr wichtig.
Und der private Mille?
Der ist eine andere Person. Ich trenne strikt zwischen meinem Privat- und meinem Bandleben. Wenn du mich kennenlernen willst, dann möchte ich nicht, dass du denkst „Ah der Typ aus der Band“. Das ist doch irgendwie langweilig …
Dieser Typ aus der Band, der sich dazu entschlossen hat, vegan zu leben, bevor es Mandelmilch und Co. gab …
Naja, ich habe ja zuvor schon lange vegetarisch gelebt. Also war mir das nicht ganz fremd. Und der Schritt, vegan zu werden, ist mir nicht schwer gefallen. Ich vergleiche das mal mit der Musik: Früher musstest du dir ausgewählte Platten im Ausland bestellen und ewig darauf warten. So war es auch mit den veganen Lebensmitteln. Ich habe einmal im Monat eine Sammelbestellung im Internet gemacht, um einen Grundstock an veganen Lebensmitteln zu haben. Heute kannst du die Produkte in jedem Supermarkt bekommen.
Sich mit Ernährung beschäftigen … gibt es da auch Grenzen? Wenn es z.B. um die mediale Inszenierung geht?
Foodporn meinst du … ? (lacht) Ach, keine Ahnung. Das kann ja jeder so machen wie er will. Aber mir stellt sich da schon die Frage: Lebt man eigentlich noch im Moment? Du denkst doch dann eigentlich immer schon einen Schritt weiter und befindest dich gar nicht mehr in der Gegenwart. Und du machst das Foto ja nicht für dich, sondern weil du die Reaktionen anderer haben willst. Darüber sollte man sich schon mal bewusst werden – was diese neue Art von medialer Inszenierung da eigentlich mit uns macht. Ich glaube sowieso, dass wir uns in einer Identitätskrise befinden. Jeder kreiert ein möglichst perfektes Bild von sich. Warum? Weil wir es können. Im Internet geht das ja wunderbar.
Auch wenn du nicht – wie andere – in den sozialen Medien Bilder deines Essens veröffentlichst, sind dir Ernährung und Gesundheit sehr wichtig …
Ja, ich bin schon ein Fan von Clean Eating – heute habe ich z.B. ein Gemüse-Curry gekocht. Außerdem bin ich Sportler. Da versucht man Kohlenhydrate eher zu vermeiden. Das funktioniert natürlich überhaupt gar nicht. Nudeln sind zu lecker. Und wenn es mal Pommes sein müssen, dann ist es eben so.
Du bist Sportler?
Ja, in der Beziehung bin ich sehr trendy. (lacht) Ich mache jeden Sport-Quatschtrend mit. Ich wollte sogar mal den Iron Man machen. Das Verrückteste, was ich ausprobiert habe, war „Body Attack“ – eine Mischung aus Kampfsport und Choreographie. Da habe ich Muskeln in meinem Körper kennengelernt, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Yoga mag ich auch gerne.
Was gibst du uns mit auf den Weg?
Nicht auf die Vergangenheit starren, sondern im Hier und Jetzt leben. Und nicht allzu realistisch denken. Sonst kann man ja an gar nichts mehr glauben. Wenn ich ein zu großer Realist gewesen wäre, dann hätte ich nie damit begonnen, Gitarre zu spielen und schließlich Kreator zu gründen. Wichtig ist es auch, die Toleranz, die man von anderen erwartet, dem Gegenüber entgegen zu bringen. Denn: Nur, weil man sich vegan ernährt, ist man noch lange kein besserer Mensch.
Kreator
Gods of Violence
Nuclear Blast/Warner
15,99 €
Sie sind eine der international erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Bands des Thrash Metal: Kreator gelten als Mitbegründer dieser in den 80er-Jahren entstandenen Musikrichtung – einer schnelleren, extremeren, aber auch melodischeren Variante des Metal. Neben dem typischen Thrash-Metal-Sound, der durch Mark und Bein dringt, kommen auch eher artfremde Instrumente wie Harfe und Dudelsack zum Einsatz. Liebhaber werden nicht enttäuscht sein, Neuentdecker begeben sich auf ein musikalisches Terrain, das mitreißt und sich obendrein durch die Songtexte politisch zeigt.