Erstmals in Berührung mit veganen Ersatzprodukten kam unsere Autorin Ende der 90er Jahre und war damals alles andere als begeistert. Über den langen Weg ihrer pflanzlichen Kulinarik-Reise und das Soja-Schreckgespenst ihrer Kindheit.
Autorin: Jacqueline Floßmann
(Symbolibild) – Fotocredit: pexels / miguel á padriñán
Ich gebe es zu, meine ersten kulinarischen Erfahrungen mit veganer Küche waren eher negativ geprägt. Meine Eltern arbeiten beide in einem Betrieb, in dem biologische Reformhausprodukte hergestellt werden. Der Fokus dieser Firma liegt auf dem Thema Gesundheit und so wunderbar ich das heute finde, so obstinat stand ich diesem Konzept mit sieben Jahren gegen über. In meiner Kindheit musste ich nicht nur literweise Tee saufen, äh konsumieren, sondern auch diverse Produktneuheiten über meinen noch ungeschulten Gaumen ergehen lassen. Grauenvoll sind mir die Grünkernpflanzerl im Gedächtnis ge blieben, die meine Mutter regelmäßig mit einer Sonnenscheinmiene servierte – unter stundenlangem Protest presste ich diese höchst ominösen Konstrukte ku bikmillimeterweise in mich hinein, jeder Bissen begleitet von einem dramatischen „Bäääääääh“!
Mit Schrecken im Herzen denke ich an die Sonntage zurück, an denen meine Schwester und ich mit einem fröhlichen „Kinder, es gibt Gulasch“ in die Küche gelockt und vor einem Topf mit höchst unappetitlich aussehendem Inhalt geparkt wurden. Auf Deutsch gesagt: Es sah aus wie Erbrochenes und auch die Kochkünste meiner Mutter konnten diese ersten, eher unglücklichen Varianten von Sojagranula ten nicht auf ein erträgliches Geschmackslevel heben. Ich war den Tränen nahe und rief: „Das ist ja gar nicht echt!“, weswegen ich auch heute noch manchmal die Skepsis mancher Omnivor*innen nachvollziehen kann.
Vielleicht mussten sie in den 1990er Jahren auch pflanzliche Bolognese in sich hineinstopfen, die wie ein aufgequollener Spülschwamm schmeckte. Man sieht, ich bin in der veganen Küche einen weiten Weg gegangen. Als ich selbst während meines Studiums begann, mit Fleischersatzprodukten zu experimentieren, war ich häufig eher halbwegs zufrieden. Die Schwammigkeit, die mir noch aus Kindheitstagen in den Knochen steckte, übernahm immer noch oft die Führung in meinen Gerichten und ich war erst frustriert, dann jedoch fixte mich die Herausforderung an. Nicht nur meine eigene eingehende Beschäftigung mit der Thematik verhalf mei ner „Cuisine Jacqueline“ zu einer stetigen Verbesserung, natürlich spielte mir auch die Entwicklung in den Supermarktrega len in die Karten. Ersatzprodukte, die den Lebensmittel ähnlich waren, mit denen ich beim Kochen aufgewachsen war, erleichter ten mir den Umgang enorm, und als mir zum ersten Mal unser legendäres Familien gulasch (also das Original, nicht dieser see lenlose Sojazombie aus den 90ern) in der pflanzlichen Adaption gut gelungen war, hatte ich Lunte gerochen. Mir war klar, dass mir ein gewisses Maß an veganer Kochkunst dabei helfen würde, die Men schen um mich herum zu missionieren. Schließlich merkt man als Veggie schnell, dass man mit theatralischen „Mörder“-Rufen, sobald jemand ein Schnitzel verspeist, beim Gegenüber tatsächlich eher auf Granit beißt, statt auf offene Ohren stößt. Statt also meinem Umfeld groß und breit zu er klären, warum es doch bitte keine süßen Lebewesen essen soll, setzte ich auf Missionierung durch Geschmack. Freund*innen einladen: hervorragend vegan kochen, die „Oh, das schmeckt ja wirklich sehr“-Ausrufe genießen und im Optimalfall danach noch die Rezepte verteilen – das war ab diesem Zeitpunkt meine neue Methodik geworden.
Dass mein Vater inzwischen selbst anfängt, mit veganen Ersatzprodukten zu experimentieren, obwohl er meine Ernährungsform anfangs noch als „extrem“ betitelte, das freut mich schon enorm. Dass er jedes meiner mitgebrachten Ersatzprodukte eventuell etwas skeptisch, aber doch interessiert, probiert und sich im Falle einer Akzeptanz abfotografiert, das empfinde ich als eine sehr schöne Entwicklung. Und wenn er dann sonntags anruft und sagt: „Ich hab so neues Erbsenfleisch ausprobiert und Gulasch gemacht. Soll ich dir eine Portion vorbeibringen?“, dann geht mir mein kleines Herzerl auf. Und vergessen sind die SojaSchreckgespenster meiner Kindheit.