Vegane Kinderernährung – ein heikles Thema. Wir haben uns mit den
Ernährungsberater*innen und Autorinnen Anna Maynert und Carmen
Hercegfi über ihr neues Werk „Vegan für unsere Sprösslinge“ unterhalten.
Von: Xenia Waporidis
Weil sich mit dem Verzicht auf jegliche tierische Lebensmittel das
Risiko für Nährstoffdefizite und damit für Gesundheitsstörungen
erhöht, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
(DGE) vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit
sowie im gesamten Kindes- und Jugendalter nicht. Was sagt ihr dazu?
Anna: Ich verstehe die Vorsicht der DGE bezüglich der Empfehlungen für eine vegane Ernährung, denn sie ist eine offizielle Stelle, an der sich viele Menschen, inklusive Fachleute, orientieren. In ihrem Positionspapier, welches kürzlich überarbeitet wurde, wird immerhin nicht mehr von dieser Ernährungsform abgeraten, sondern sie wird nur nicht empfohlen. Das liegt einfach daran, dass man sich ausreichend informieren muss, wenn man sich vollwertig vegan ernähren möchte. Es gibt Nährstoffe,die bei einer rein pflanzlichen Ernährung nicht über die Nahrungsmittel aufgenommen werden können, sondern supplementiert werden müssen. Bekanntestes Beispiel: Vitamin B12. Aber auch Omega-3 Fettsäuren, Calcium und Proteine müssen mit Bedacht in die rein pflanzliche Ernährung integriert werden.
Carmen: Ich finde es an dieser Stelle aber auch immer noch total wichtig, darauf hinzuweisen, dass es im Grunde mehr oder weniger lediglich zu einer Verschiebung der kritischen Nährstoffe kommt. Viele Mischköstler*innen sind mit einigen Nährstoffen ebenfalls unzureichend versorgt.
Wie geht ihr mit kritischen Bemerkungen im Bezug auf die Ernährung eurer Kinder um?
Anna: Als Ernährungswissenschaftlerin gehen die Menschen davon aus, dass ich mich auskenne und hinterfragen nur meine Gründe für den Veganismus, prangern ihn aber nicht an. Da mein kleinster Sohn in der Kita leider nur vegetarisches Essen bekommt, erleben mich meine Mitmenschen dort tolerant. Wenn ich allerdings mal hinterfrage, warum sie Milch trinken und ob es nicht denkbar wäre, statt Kuhmilch Haferdrink auszuprobieren, dann springt mir das ein oder andere Elternteil schon mal an dieGurgel, aus Angst, ich könnte die Illusion „Milch sei gesund” zerstören. (lacht)
Carmen: Da ich mich als Ernährungsberaterin auf die vegane Familienernährung spezialisiert habe, traut sich ohnehin keiner mit mir zu diskutieren. (grinst) Ärzt*innen fragen mich immer sehr interessiert und mit den meisten der behandelnden Ärzt*innen von mir und meiner Kinder, habe ich inzwischen ein sehr gutes, teilweise sogar freundschaftliches Verhältnis. In der Beratung höre ich aber oft ziemlich krasse Geschichten aus dem Umfeld von Kita, Schule und mit Ärzt*innen. Teilweise weigern sich Ärzt*innen, vegane Kinder zu behandeln …
Apropos Konsequenz! Essen mit Freund*innen, plötzlicher Heißhunger, Kindergeburtstage: Leben eure Kinder außerhalb von zu Hause vegan?
Carmen: Mein Ältester isst zu Hause seit vielen Jahren rein vegan. Außerhalb hat er seinen Weg in den letzten Jahren von Mischkost zu einer überwiegend veganen Kost mit wenigen Ausnahmen ganz alleine mit wachsender Überzeugung vollzogen. Mein Jüngster bekommt in der Kita vegetarisches Essen ohne Milchprodukte – also quasi auch fast ganz vegan, da das Essen aus der Diätküche kommt und dabei eigentlich alle potenziellen Allergene wegfallen, also auch Eier. Bei Kindergeburtstagen wird der Kleine komplett vegan verpflegt. Ich kläre im Vorfeld, ob es vegane Optionen gibt oder ob ich etwas mitbringen soll. Grundsätzlich ist es mir wichtig, dass meine Kinder ein eigenes Bewusstsein entwickeln und ihren veganen Weg aus eigenem Willen fortführen, wenn sie groß sind.
Anna: Meine Kinder essen draußen generell vegetarisch, nur bei der Milch bin ich streng – da gebe ich immer extra Haferdrink mit, wenn Müslitag in der Kita ist. Unser Umfeld ist leider weder vegetarisch noch vegan, daher ist es für meinen Großen schwer zu argumentieren, warum er kein Fleisch isst. Immer wieder werden dummeKommentare gegeben und behauptet, dass vegan ungesund sei.
Euer Buch „Vegan für unsere Sprösslinge“ ist Ratgeber und Kochbuch in einem – welche Themen und Rezepte erwarten die Leser*innen?
Carmen: Das Buch schließt direkt an den Vorgänger „Vegan in anderen Umständen“ an, in dem es um Schwangerschaft und Stillzeit ging, und thematisiert alle
Lebensphasen der Kindheit und Jugend von der Beikost bis zu den Teenies. Wir hatten in der Konzeptionsphase des Buchens bereits alle Themen zusammen und zusätzlich Umfragen auf Social Media gemacht. Dadurch kamen noch Themen hinzu wie z.B. Pseudogetreide in der veganen Säuglings- und Kleinkindernährung. Dazu kommt ein umfangreicher Rezeptteil mit ca. 120 Rezepten. Und natürlich ist in den vollwertigen Rezepten die Theorie auch in die Praxis umgesetzt, weshalb man hier und da, Sprossen, Microgreens, Algen und auch Algenöl in den Rezepten findet.
Anna: Zusätzlich werden alle kritischen Nährstoffe besprochen und erklärt, wofür sie wichtig sind und was bei einem Mangel passieren kann. Es gibt eine umfangreiche Seite zum Thema Bluttests, da dort immer wieder viel Verunsicherung herrscht. Außerdem haben wir Expert*innen befragt, wie z.B. Prof. Dr. Markus Keller, der die Vechi-Studien-Ergebnisse vorgestellt und Prof. Dr. Claus Leitzmann, der zum Thema Proteine in der veganen Kinderernährung einen Beitrag geschrieben hat, und noch viele mehr!
INFO: Carmen und Anna – die zwei Powerfrauen bewegt vor allem ein spannendes Thema: vegane Ernährung in Familien, insbesondere von Kindern oder auch während der Schwangerschaft sowie Stillzeit. Beide füllen ihre Zeit jedoch nicht nur mit Mamasein, sondern auch als vegane Ernährungscoaches. Mit „Vegan für unsere Sprösslinge“ räumen die zwei Autorinnen mit Mythen über vegane Kinderernährung auf, klären wichtige Nährstoff-Fragen und lassen dabei auch zahlreiche Ärzt*innen zu Wort kommen. Obendrauf gibt es natürlich noch 120 köstliche Rezepte für Groß und Klein! Unter www.vamily.de erfährst du mehr über Anna Maynert und ihre spannenden Coachingprojekte sowie über ihren Podcast. Über Carmen Hercegfi und ihr erstes Buch „Vegan in anderen Umständen“, in dem sie den Fokus auf vegane Schwangerschaft legt, findest du unter www.vegane-familien.de alle wichtigen Informationen.