Dr. Mark Benecke: »Menschen und Maden – ich mag beide gerne«

Apropos schräg: Ich habe gehört, du wolltest früher mal Koch werden? Wie kam es zu diesem Umschwung im Lebenslauf?
Wir „kochen“ im Labor auch, nur mit anderen Zutaten. Das ist schon sehr ähnlich, kein Witz. Aber mein heutiger Job hat sich durch Zufall ergeben.Ich habe mich an der Uni einfach in alle Fächer eingeschrieben, die ich interessant fand. Am nettesten waren die Biologen, und sie haben auch als Einzige eine Party vor Semesterbeginn geschmissen. Da bin ich geblieben. Etwa zu jener Zeit wurde die aktuelle Methode des genetischen Fingerabdrucks entwickelt und ich wollte mehr über diese Technik lernen. Das konnte ich nur in der Rechtsmedizin. Dort arbeitete auch meine damalige Chefin als Biologin … und zack! So kam eins zum anderen.

Hast du da nicht einen sinnlichen gegen einen eher „unsinnlichen“ Beruf eingetauscht?
(lacht) Also, die Gerüche sprechen schon mal Nase, Geschmack und allerlei Gehirnbereiche an. Sperma und Blut in Textilien, besonders dunklen, muss man auch ertasten lernen, es reicht nicht, sich auf die Tatortlampe zu verlassen. Lupen
und Kameras sind auch superwichtig – hier ist vorausschauendes Sehen, eine weitere Sinnevermischung, gefragt. Feinmotorik musst du auch noch üben, denn wenn der Insektenflügel unter deinem Vergrößerungsgerät wegweht oder du mit der Pinzette zu fest zugreifst, ist der Sachbeweis schnell zerbrochen oder verloren. Meine Sinne werden also gefordert. Am Ende kommt auch noch der Balance-Akt zwischen Einfühlung
und Sachkunde dazu, wenn die Angehörigen etwas berichten. Ich will sie nicht abwürgen, wenn sie weinen, aber wir müssen auch über die Spuren, nicht vorwiegend über Gefühle reden. Das machen Kolleg*innen, die sich damit besser auskennen.

Allerdings wirst du schon oft gefragt, ob es dein Beruf war, der dich zum Veganer gemacht hat.
Mein Beruf hat damit nix zu tun. Ich habe schon früher nie Wurst gegessen. Aber Kotelett oder so schon. Als Student hatte ich dann eh kein Geld, da konnte ich mir kein Fleisch leisten, damals gab’s das ganze Billigfleisch auch noch nicht. Wenn im Essen
Fleisch drin war, hat es mich damals zwar nicht gestört, aber die türkischen Buden, die mich im Studium mit durchgefüttert haben, hatten immer Linsensuppe, Salat und Brot am Start. Finde ich bis heute saugeil. Von da war es nur noch ein sehr kleiner Schritt zum Vegetarier bzw. Veganer.

Erzählst du nicht immer wieder von einer Berufserfahrung, die dich in deinem Pflanzenfresser-Dasein bestärkt zu haben scheint?
Ja, ich hatte mal einen Fall, in dem eine nette, harmlose Sexarbeiterin von einem Kunden sehr stark blutend und extrem verprügelt tot liegen gelassen wurde. Seitdem kann ich den Geruch in Metzgereien nicht mehr ertragen. Ich habe aus dem Fall gelernt, wie hirnverbrannt künstlich die Grenze ist, die viele Menschen zwischen Tier- und Menschentötung ziehen. Da gibt es nämlich keine.

Wurde am Tatort die Ähnlichkeit zwischen Mensch und Tier zu deutlich?
Der Geruch, auch die Schnittflächen – das ist bei Wirbeltieren genau gleich wie bei Menschen. Bei großen menschlichen Knochen sieht das für jeden aus wie Kotelett oder Rippchen. Es ist ja auch dasselbe. Ob man nun ein Schwein, eine Kuh oder einen Menschen zerstückelt da liegen hat: Das Gewebe sieht genauso aus, von der Fettschicht her, der Haut, den Knochen und Muskeln … Ein echtes Schlüsselerlebnis bezüglich meiner Ernährung war eher die Arbeit mit lebenden Tieren: Im Studium habe ich Verhaltensexperimente mit wirbellosen Meerestieren gemacht.

Oh toll, Kraken?
Genau – auf einer völlig einsamen Insel. Der Prof und meine Mitstudierenden waren cool. Aber die Tiere auch: Kraken sind sehr schlau, haben einen starken Spieltrieb und dank ihrer Augen und der schnell wechselnden Hautfärbung auch mehr Ausdrucksspielraum als z.B. Meerschweinchen. Bei den Experimenten guckten die Tintenfische sogar im Nachbar-Aquarium ab. Sie haben gepfuscht, um schneller herauszubekommen, was wir gerade von ihnen wollten – etwa ein rotes Quadrat
anzufassen, ein Glas aufzuschrauben und so weiter. Nach ein paar Monaten haben wir die Tiere zurück ins Meer gebracht – und fast alle Studierenden haben geheult. Klar, wir freuten uns, dass sie wieder nach Hause konnten, aber wir hatten auch Freunde verloren. Meerestiere kamen mir seither nie wieder auf den Teller.

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