Ehrenamt macht glücklich

Das Ehrenamt wird auch gerne als „Motor der Demokratie“ bezeichnet. Und das völlig zu Recht! Es stärkt und sichert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und leistet gezielt Hilfe da, wo sie am meisten gebraucht wird.

TEXT: JACQUELINE FLOSSMANN

Am 26. August kam ich gerade von einer erfolgreichen Minigolf-Partie mit meiner Familie nach Hause und wollte mich ob des nahenden Gewitters gemütlich auf mein Sofa fläzen. Als es ziemlich stürmisch draußen wurde, fiel mir ein, dass ich den Sonnenschirm besser noch in Sicherheit bringen sollte. Ich huschte nach draußen, packte den von Sturmböen gepeinigten Strahlenschutz und verstaute ihn einigermaßen sicher. Dann kam zwischen den Regengüssen ein Ast von der großen Buche vor unserem Haus heruntergesegelt und verfehlte mich nur haarscharf, woraufhin ich beschloss, mich schleunigst wieder ins Innere meiner Wohnung zu begeben. Das Unwetter wurde heftiger und ich witzelte meinen Mitbewohner*innen im obersten Stock entgegen, ob wir den Sturm nicht vorsichtshalber im Keller aussitzen sollen. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Nachdem es draußen ziemlich gekracht hatte und meinem Kumpel und mir auffiel, dass Wassertropfen aus der Kellerdecke auf sein Schlagzeug tropften, rief meine Freundin aus dem ersten Stock: „Kommt mal, wir haben ein Problem.“ Oben angekommen spritzte auf einmal Regenwasser aus allen Deckenbohrungen auf die Möbel meiner Mitbewohner*innen. Zwischen eiligem Wasser-Schöpfen, Eimer-Holen und Sich-Fragen, was, verdammt noch eins, denn jetzt los war, meinte meine Freundin schließlich: „Ich glaub’,uns ist die Buche aufs Haus gekippt.“ Chaos, Telefonate, ungläubige Blicke. Man spule eine wirre Stunde nach vorne und sehe nun drei Menschen, die ihr wichtigstes Hab und Gut in den Kellern der Nachbar*innen unterbringen und ihr Zuhause räumen. Ihr Zuhause, auf dem ein immens großer Baum ein Loch ins Dachgeschlagen und es somit von jetzt auf gleich unbewohnbar gemacht hatte. Nach einem WhatsApp-Hilferuf an Bekannte, Familie und Freund*innen trafen wir uns am nächsten Tag, um unser ganzes Haus inklusive Keller zu räumen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht mal, ob die Statik noch lange halten würde. So schmerzhaft mir dieses Wochenende immer noch in der Magengrube liegt, so hat mich dieser 27.August auch einmal mehr in Staunen ver- setzt, standen da doch plötzlich an die 30 Menschen mit ihren LKWs, Bussen und Autos auf der Matte und halfen uns Hei- matlosen dabei, unser gesamtes Hab und Gut ins nahe gelegene THW zu bringen. Ich bin noch nie chaotischer, schneller, aber auch nicht liebevoller umgezogen (worden). Ohne diese wunderbaren freiwilligen Hilfskräfte hätten wir dieses Wochenende nicht überstanden und nebst einem großen, offiziellen Dankeschön an alle Beteiligten, das ich hiermit kurz schriftlich festhalten möchte, hat dieser Vorfall mehr als deutlich bewiesen, dass man Krisen nur gemeinsam meistern kann. Hilfstätigkeiten und Ehrenämter spinnen ein soziales Netz, das diejenigen auffängt, die es gerade am nötigsten brauchen. Sie zeigen außerdem, dass Rückhalt, Freundschaft und Hilfsbereitschaft das Herz unserer Gesellschaft am Schlagen halten.

DER MOTOR DER DEMOKRATIE
Nicht umsonst also wird das Ehrenamt gerne als „Motor der Demokratie“ bezeichnet, liegen doch die soziale Komponente, die Bereicherung der Gesellschaft und das Gemeinwohl im Zentrum der freiwilligen Arbeiten. Unter dem Begriff Ehrenamt werden im Großen und Ganzen Tätigkeiten zusammengefasst, die im Bereich des „bürgerschaftlichen Engagements“ angesiedelt sind. Ehrenämter sind meist nicht vergütet und werden freiwillig durchgeführt. Ein Ehrenamt wird meistens nebenberuflich, also in der Freizeit ausgeübt, und dient in der Regel dem Gemeinwohl der Gesellschaft. So kann man Ehrenämter in den Bereichen Sport, Kultur, Bildung, soziale Arbeit, Umweltschutz, Nachbarschaftshilfe, Tierschutz, Kommunalpolitik, Stadtteilinitiativen, bei Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk oder anderen Hilfsorganisationen aufnehmen. Vor allem in Krisensituationen, wie zuletzt beispielsweise während der Pandemie oder des Angriffskrieges in der Ukraine, wird deutlich, wie viel ehrenamtliche Tätigkeiten und Hilfsangebote bewirken können.

WENN HILFSBEREITSCHAFT GROSS GESCHRIEBEN WIRD
Seit 1999 werden in Deutschland alle fünf Jahre im sogenannten „Deutschen Freiwilligensurvey“ Daten rund um das Thema Ehrenamt erhoben. Die letzte Erhebung stammt aus dem Jahr 2019 und zeigte, dass sich etwa 40 Prozent aller Menschen ab 14 Jahren hierzulande freiwillig engagieren, das sind rund 28,8 Millionen Bürger*innen. Dieser Anteil hält sich seit 2014 auf relativ stabilem Niveau und ist in Gegenüberstellung zum Erhebungsbeginn im Jahr 1999 um ganze 10 Prozent angestiegen. Inzwischen gibt es keine großen Unterschiede mehr zwischen Ost und West, zwischen männlich und weiblich. Jedoch wurde festgehalten, dass sich am häufigsten, nämlich zu 44,7 Prozent, Menschen zwischen 30 und 49 Jahren engagieren, bei den 14-29-Jährigen liegt dieser Anteil bei 42 Prozent. Die deutlichsten Unterschiede lassen sich aktuell wohl noch im Bereich der Bildung ausmachen: Die Engagement-Quote bei Personen mit hoher Schulbildung liegt bei 51,1 Prozent, während sich nur 26,3 Prozent der Menschen mit niedrigerem Schulabschluss ehrenamtlich engagieren. In diesem Sektor haben sich die Unterschiede nicht aufgelöst, sondern seit 1999 eher verstärkt. Die Segmente mit den meisten Ehrenämtern machen die Bereiche Sport und Bewegung (13,5 Prozent), Kultur und Musik (8,6 Prozent) sowie der soziale Bereich mit Schule und Kindergarten (8,3 Prozent) aus. Im Umwelt-, Natur- oder Tierschutz sind 4,1 Prozent der Menschen ab 14 Jahren tätig. Etwa 60 Prozent aller ehrenamtlich Tätigen wenden pro Woche etwa zwei Stunden ihrer Freizeit für das Engagement ihrer Wahl auf.

MIT EINEM EHRENAMT GEWINNEN ALLE!
Neben der ideellen Komponente, dem Wunsch, für andere da zu sein, Karmapunkte zu sammeln, die Gesellschaft zu stärken und mit anzupacken, wenn Hilfe benötigt wird, gibt es viele weitere Beweggründe für soziales Engagement. Da wäre beispielsweise die sinnstiftende Seite zu nennen, die viele im Ehrenamt Tätige bestätigen. Das Gefühl, etwas Bedeutsames zu tun und für soziale Gerechtigkeit einzutreten, ist für die meisten Menschen essenziell – die eigene Freizeitgestaltung kann dadurch eine ganz neue Qualität erreichen. Nicht nur wird anderen geholfen, auch auf einen selbst wirkt sich die Freiwilligenarbeit positiv aus. Man fühlt sich geschätzt und gebraucht, lernt neue Menschen kennen, knüpft zahlreiche Kontakte und wird in ein soziales Gefüge eingebunden. Gerade auch für Leute, die sich einsam fühlen oder Anschluss suchen, kann die Ausübung eines Ehrenamtes sinnvoll sein. Zudem kann man lernen, soziale Verantwortung zu übernehmen und messbar Dinge bewegen. Das Gefühl, etwas verändern zu können, wenn auch nur auf mikrokosmischer Ebene, ist für viele Menschen ein zentraler und zufriedenstellender Bestandteil ihres Daseins. Das Wissen, nicht in der Passivität gefangen zu sein, sondern aktiv etwas bewirken zu können und ein Stück weit Kontrolle und Verantwortung zu übernehmen, ist ein wichtiger Aspekt der menschlichen Lebensgestaltung. Zudem sammelt man durch ein Ehrenamt zahlreiche praktische Erfahrungen in verschiedenen Tätigkeitsbereichen. Man erweitert den eigenen Horizont genauso wie die eigenen Fähigkeiten. Für viele Menschen bietet ein Ehrenamt eine gute Entwicklungschance und die Möglichkeit, persönlich zu wachsen und kann obendrauf sogar in der beruflichen Karriere nützlich sein. Bei der Freiwilligenarbeit kann man sich in vielen verschiedenen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Wer politisch interessiert ist, kann sich beispielsweise in Stadtteilinitiativen engagieren und so erste Einblicke in das kommunalpolitische Geschehen erhalten. Das Repertoire der eigenen Kompetenzen kann sich so stets erweitern. Oben drauf macht sich ein Ehrenamt gut im Lebenslauf. Wer im Jahr mindestens 80 Stunden ehrenamtlich arbeitet, kann einen sogenannten Kompetenznachweis beantragen.

FÜR DIE TIERE
Für alle, die Tiere lieben, kann es erfüllend sein, im Tierheim mitanzupacken. Die hier benötigten Hilfsarbeiten sind facettenreich und viele Tierheime profitieren enorm von Ehrenamtlichen. So kann man die Arbeitnehmer*innen dabei unterstützen, die Boxen und Käfige zu reinigen, die Tiere zu füttern oder bei Reparaturarbeiten mit Rat und Tat zur Seite stehen. In Aufzuchtstationen können Waisentiere aufgepäppelt werden, zudem kann man sich in der Tiervermittlung oder bei Spendenaufrufen engagieren. Auch für die für Tierliebhaber*innen wohl schönsten Aufgaben werden immer gerne Leute gesucht: Für Zuwendung in Form von streicheln, kuscheln oder trainieren sowie für ausgedehnte Gassirunden ist im normalen Tierheimalltag manchmal nicht genug Zeit, weswegen auch in diesen Bereichen jede helfende Hand willkommen ist. In manchen Tierheimen gibt es sogar sogenannte „Katzenvorleser*innen“, mithilfe derer sich wilde oder scheue Katzen anmenschliche Stimmen gewöhnen sollen. Für manche dieser Arbeitsfelder, zum Beispiel um Umgang mit Wildtieren, ist eine spezielle Schulung nötig.

FÜR DIE UMWELT
Nachhaltigkeit und Umweltschutz engagieren möchte, hat zahlreiche Wahlmöglichkeiten. Der NABU beispielsweise beschäftigt aktuell um die 77.000 ehrenamtliche Mitarbeitende, die in circa 2000 Untergliederungen organisiert sind. Hier kann man Krötenzäune überwachen, bei der Renaturierung bestimmter Gebiete anpacken, mit Kindern für das Thema Umwelt sensibilisieren oder bei der Strukturierung und Verwaltung des Bundes helfen. Auch Organisationen wie der Bund Naturschutz oder Greenpeace bieten Suchenden zahlreiche ehrenamtliche Aufgabengebiete. Mit der „Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ hat die Bundesregierung übrigens eine Stiftung ins Leben gerufen, die ehrenamtliches Arbeiten fördern soll.

VEGANES EHRENAMT?
Wer einen Teil der eigenen Freizeit gern ehrenamtlich dem Thema Veganismus widmen möchte, findet auch hier Mittel und Wege, um für seine/ihre Überzeugung einzutreten. Organisationen wie ProVeg beispielsweise heißen ehrenamtliche Helfende gerne willkommen. Hier kann man sich in den Sektoren Ernährung, Design, Recherche, Recht oder IT engagieren, um an der Gestaltung einer pflanzlichen Zukunft mitzuwirken und gleichzeitig spannende Einblicke in die Arbeit eines internationalen Non-Profit-Unternehmens zu gewinnen. Auch andere Vereine, Stiftungen, Organisationen, Firmen oder Institutionen wie beispielsweise vegane Lebenshöfe, die sich auf pflanzliche Ernährung spezialisiert haben, vergeben Ehrenämter.

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