Ich reise zurzeit mit dem Rucksack durch Westafrika und werde manchmal von Einheimischen zum Essen eingeladen. Oft gibt es Fleisch, was mich in einen Gewissenskonflikt stürzt: Ich bringe es partout nicht herunter, möchte aber auch nicht unhöflich erscheinen. Was kann ich tun?
Eric, 35, aus Berlin, zurzeit auf Weltreise
Eine ziemlich verzwickte Situation, in der Tat! Natürlich kannst du dich herausreden und dich auf religiöse Gründe oder Magenprobleme berufen, aber echte Nähe basiert letztlich eher auf ehrlichem Austausch. Im Optimalfall erklärst du schon im Vorfeld, dass du kein Fleisch isst und beantwortest geduldig alle Nachfragen („Auch kein Geflügel? Keinen Fisch?“). Möglich, dass du auf Unverständnis stößt, dennoch wird man wohl meist versuchen, dich als Gast zufriedenzustellen. Ist eine solche Vorab-Klärung nicht möglich, halte dich an die Beilagen, lobe diese überschwänglich und zeige durch andere Verhaltensweisen, dass du dich über die jeweilige Landeskultur informiert hast und diese respektierst.
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Meine Oma lädt im Sommer immer zur Geburtstags-Gartenparty. Als Kind habe ich ihre Erdbeer-Biscuitrolle immer geliebt, aber sie enthält Eier und Sahne, was ich normalerweise beides nicht mehr esse. Einmal im Jahr mache ich nun aber eine Ausnahme, Oma zuliebe, die sich über meinen „Appetit“ sehr freut – mein Freund schimpft mich deswegen inkonsequent.
Marie, 23, aus Koblenz
Tja, wohl jeder vegan lebende Mensch hat sich schon mal anhören müssen: „Da bist du aber inkonsequent!“ Ein Satz, der sogar oft aus den Mund von Allesesser*innen kommt, häufig mit einem triumphierenden „Hab ich dich ertappt!“-Gesichtsausdruck. Ja, du bist inkonsequent, wenn du die Biscuitrolle deiner Oma isst. Genauso wie der Veganer, der sich bei einem guten Freund aufs Ledersofa setzt oder die Veganerin, deren Smartphone-Display womöglich tierisches Cholesterin enthält. Ein zu 100 Prozent veganes Leben ist derzeit leider noch so gut wie unmöglich. Es darum gleich ganz bleiben zu lassen, kann aber nicht die Lösung sein. Jeder Schritt zählt, und in manchen Situationen gilt es abzuwägen, was dir wichtiger ist, in diesem Fall eben deine ethische Einstellung oder das Strahlen deiner Oma. Du entscheidest dich – einmal im Jahr – für Letzteres. Das solltest du und das sollte dein Freund dir verzeihen. Zumal „entspannte“ Veganer*innen häufig größere Chancen haben, von Ihrer Umwelt gehört zu werden und somit langfristig oft mehr erreichen als rigorosere Vertreter*innen, mit denen kaum ein*e Allesesser*in mehr am Tisch sitzen möchte. Nichtsdestotrotz kannst du deiner Oma aber natürlich mal eine gemeinsame, vegane Back-Session vorschlagen. Wer weiß, vielleicht bringst du sie ja auf den Geschmack …?
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Wenn ich bei meinen Freund*innen zum Essen eingeladen bin, bereiten sie für mich immer eine vegane Alternative zu. Nun will ich bald eine kleine Grillparty veranstalten und überlege, ob es unfair ist, dort weder Fleisch noch Grillkäse anzubieten. Mir ist der Gedanke daran zuwider. Andererseits geht man ja auch auf mich ein, darf ich mich da umgekehrt sperren?
Annegret, 48, aus Braunschweig
Tatsächlich hört und liest man solche Argumentationen gar nicht so selten: „Wenn mein veganer Kumpel mir kein Fleisch brät, muss ich ihm doch auch keinen Gemüsekram anbieten.“ Klingt auf den ersten Blick fast logisch, hat aber bei genauerem Hinsehen doch ein paar Haken: Erstens kredenzen dir deine Leute vermutlich nichts, was ihnen zuwider ist, sondern eben etwas Pflanzliches, das sie selbst ganz lecker finden. Zweitens würde das Fehlen einer solchen Alternative bedeuten, dass du hungrig bleibst, während alle anderen schlemmen – das wird deinen Gästen bei dir vermutlich nicht passieren, wenn du eine leckere Auswahl an veganem Grillgut, Dips und Beilagen bereitstellst. Und drittens seid ihr einfach befreundet – da nimmt man aufeinander Rücksicht, erwartet nicht, dass das Gegenüber gegen seine Prinzipien verstößt, sondern freut sich stattdessen am Zusammensein. Also kurz: Nein, ist nicht unfair. Bleib dir treu.
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Wir sind eine vegan lebende Familie. Allerdings isst unsere 13-jährige Tochter manchmal tierische Produkte, etwa auf Geburtstagsfeiern. Nun wird sie einen Teil der Sommerferien bei ihrer omnivoren Tante in Bayern verbringen und wir sind unschlüssig, wie wir damit umgehen sollen. Ab und zu mal einen Kuchen mit Ei – damit können wir irgendwie leben. Aber zwei Wochen lang nicht-veganes Essen?
Stefan, 49, und Kathrin, 51, aus Magdeburg
Sicherheit und Wertevermittlung auf der einen, Loslassen und die Förderung von Selbstständigkeit auf der anderen Seite – dazwischen liegt der Grat, auf dem Eltern balancieren. Sowohl eure Tochter als auch vermutlich die Tante wissen um eure Einstellung, ein klärendes Vorab-Gespräch dürfte also kaum neue Erkenntnisse bringen (wobei miteinander reden dennoch selten verkehrt ist). So hart es für euch ist: Wenn ihr eurer Tochter zutraut, zwei Wochen ohne euch zu verbringen, dann solltet ihr auch damit umgehen können, dass sie in diesen zwei Wochen eigene Entscheidungen trifft – die übrigens vielleicht gar nicht so weit von euren Wünschen entfernt liegen. Nur wenn sie euch um Unterstützung bittet, etwa beim Gespräch mit der Tante, solltet ihr euch einmischen. Ansonsten gilt wie so oft: Verbotenes wird durch das Verbot nur interessanter. Dazu kommt, dass es sehr nett von der Tante ist, sich zwei Wochen um ihre Nichte zu kümmern, das verdient erst mal Anerkennung und nicht unbedingt noch Verhaltensvorschriften obendrauf. Kurz: Vertraut eurer Kleinen – so klein ist sie nämlich gar nicht mehr.