Putzteufel: Reinlichkeit und Umweltschutz – unvereinbar?

Vegane Putzmittel
Illustration: Alexander Springborn

Frische Wäsche, blanke Böden, Lavendelduft – wir lieben es sauber. Aber Putz- und Waschmittel sind oft umweltschädlich. Also mehr Schmutz für mehr Naturschutz? Oder heißt es auf Putzteufel-komm-raus: Umweltschäden in Kauf nehmen? Ökologische Mittel bieten einen Ausweg.

Von: Katharina Weiss

Bloßes Rubbeln war noch nie die Lösung. Zwar plagten sich noch unsere Großmütter am Waschbrett, rubbelten Wäsche, Fußboden und Geschirr, um es sauber zu bekommen. Aber seit jeher kamen dabei bevorzugt Reinigungsmittel zum Einsatz. Absurd erscheint heute die Methode der alten Römer: Sie säuberten ihre Wäsche in Ammoniakwasser – hergestellt aus vergorenem Urin. Das Mittelalter hingegen mag oft finster gewesen sein, aber dank der aufblühenden Seifensiederei wurde es heller im Hinblick auf Wäsche. Heute säubern wir auf Hightech-Basis. Tenside, Enzyme, optische Aufheller und Substanzen mit ehrfurchtgebietenden Namen wie Vergrauungsinhibitoren – eine komplexe Mischung schäumt in unseren Putzeimern, Wasch- und Spülmaschinen.

Weil wir damit so gut unser Fett und anderen Schmutz wegbekommen, werden in Deutschland jährlich etwa 630.000 Tonnen Waschmittel verbraucht, dazu weitere 220.000 Tonnen für Zusätze wie Weichspüler. Aber deuten diese großen Zahlen an, dass hier etwas im Argen liegt, oder sind sie nur harmlose Schaumschlägerei?

Die schmutzige Seite der sauberen Wäsche

Das Problem zeigt sich, wie so oft, im chemischen Detail. Obwohl z.B. Tenside, einer der Hauptbestandteile von Reinigungsmitteln, für uns einen nützlichen Effekt haben: Sie setzen die Oberflächenspannung des Wassers herab, welches so besser in Textilfasern eindringen kann. Schmutzpartikel lassen sich einfacher lösen. Doch wie viele der anderen Inhaltsstoffe besitzen Tenside, insbesondere synthetisch produzierte, eine ökotoxologische Wirkung. Das 20. Jahrhundert hat bereits gezeigt, wie groß der Schaden für die Natur sein kann, als nicht nur die Freude der Verbraucher über die hochwirksamen Waschmittel überschäumte, sondern ebenso die Flüsse und Seen, unter anderem durch Tenside. Wegen ihrer molekularen Eigenschaften zerstören diese zudem die „Wasserhaut“. So schwindet Tieren wie dem Wasserläufer der Boden unter den Füßen; sie gehen unter und ertrinken.

Ein weiterer Feind von Fisch & Co.: Phosphat. Bis in die 1980er Jahre wurde es Waschmitteln als Wasserenthärter zugesetzt. Doch in der Natur wird Phosphat zum wahren Wunderdünger für Algen und Wasserpflanzen. Stirbt das wuchernde Grün dann ab, bedeutet die überdüngte Brühe fürs Wassergetier den Erstickungstod. Obwohl heute bei Waschmitteln auf Phosphat verzichtet wird, ist es noch immer in Produkten für Geschirrspülmaschinen enthalten. Also ein Fall für die Kläranlage? (…) Selbst modernste Filter- und Klärtechnologien vermögen nicht, das Abwasser vollständig von Rückständen zu befreien – schon gar nicht von schwer abbaubaren Stoffen wie Phosphaten. Und Schlupflöcher für Giftstoffe bieten nicht nur die Klärmethoden, sondern auch die Gesetzeslage. Zwar gelten seit 2005 in der Europäischen
Union strengere Regeln für Wasch- und Reinigungsmittel. So müssen Tenside vollständig biologisch abbaubar sein. Doch sind für gewerbliche und industrielle Produkte Ausnahmen erlaubt. Dazu kommt, dass für viele andere Inhaltsstoffe gar keine Regelungen zur biologischen Abbaubarkeit bestehen. Hält sie die Kläranlage nicht auf, reichern sie sich in der Umwelt an. Und es geht nicht nur um das Wohl von Fisch und Wasserfloh, sondern auch um die menschliche Gesundheit. Ob „Frühlingsfrisch“ oder „Zitronengarten“: Duftstoffe sind ein beispielhaftes Problemfeld. Viele der Substanzen können allergische Reaktionen hervorrufen.

Waschen mit weißer Weste

Warum also nicht einfach auf natürliche Stoffe zurückgreifen, um umweltfreundlich zu waschen – alles öko, alles gut? So einfach ist es leider nicht. Zwar wollen spezielle Siegel dem Verbraucher eine Orientierung bieten, dass das jeweilige Produkt strengen Umweltstandards entspricht, darunter das EU-Ecolabel – die sogenannte Euroblume – oder branchenspezifische Zeichen wie Ecogarantie oder Ecocert. Die Crux: Wie im Fall der Bio-Zertifizierungen gibt es eine Vielzahl mit ganz unterschiedlichen Anforderungen. Und: Ökologische Herstellung bedeutet nicht automatisch, dass das Produkt problemfrei ist, ob für Mensch oder Natur. Bestes Beispiel Duftstoff: Zitronenöl, oft in Bio- Reinigern enthalten, ist pflanzlich, aber seine Bestandteile Limonen und Citral sind allergen. Und auch Limonen wirkt in größeren Mengen toxisch auf Wasserorganismen. Das Beispiel zeigt: Vollständig umweltschonend waschen und putzen ist nicht möglich – außer wir rubbeln wieder nur mühsam per Hand. Dennoch kann man sich als Putzteufel eine ökologisch relativ weiße Weste bewahren. Die öko-zertifizierten Firmen nähern sich immerhin dem Knackpunkt zur Umweltverträglichkeit und beachten zusätzliche Aspekte wie Transport und Verpackung. Schwer abbaubare Stoffe wie petrochemische Tenside und optische Aufheller, welche dem Verbraucher durch Farbeinlagerung vorspiegeln, die Wäsche sei „weißer als weiß“, sind hier ausgeschlossen. Viele Öko-Hersteller, darunter Sonett, verzichten zudem auf Enzyme. Diese Eiweißstoffe sind Bestandteil der meisten konventionellen Mittel. Statt Schmutz nur zu lösen, „fressen“ Enzyme ihn auf. Allerdings leuchtet Sonetts Contra-Argument gegen diesen effektiven biochemischen Trick ein: Ohne die Ordnung ihres eigentlichen Wirkfelds – ein lebender
Organismus – wissen Enzyme nicht zwischen fettigem Essensrest und dem Fett der menschlichen Haut zu unterscheiden. Sie machen die Hautbarriere durchlässig und können
Unverträglichkeiten fördern. Skepsis fördert darüber hinaus ihre Gewinnung: Großteils stammen sie von gentechnisch manipulierten Mikroorganismen – und könnten sich damit
unabsehbar auf die Umwelt auswirken. Auch die Firma AlmaWin verspricht, dass Gentechnik und Nanotechnologie tabu sind. Mit der Klar-Linie bietet dieser Hersteller zudem eine Alternative gänzlich ohne Duftstoffe. Ohne Frage: Der Verzicht auf die konventionellen chemischen Bestandteile bedeutet Einschränkungen. Ohne optischen Aufheller führt Helles und
Dunkles zusammen zu wa-schen zum Graustich. Wäsche sortieren, rät deswegen die Firma Sodasan – ein simpler Tipp, der aber der Natur viel Schaden erspart, wenn dank Öko-Waschmittel auf solche Inhaltsstoffe verzichtet wird. Doch der Verbraucher kann noch mehr tun, um die Ökobilanz zu verbessern: Sparsam sein. Wer auf die wesentlich ergiebigeren Kompaktprodukte setzt und vor allem so niedrig dosiert, wie die hochwirksamen Reinigungsmittel es vorgeben, spült weniger Chemikalien ins Abwasser. Je weniger Schmutz und je weicher das Wasser, umso weniger Waschmittel ist nötig. So kann der Frühjahrsputz kommen.

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