Illustration: Alexander Springborn
… warum es bei Menschen manchmal wie im Hühnerstall zugeht. Munter schnattern sie drauf los und machen sich bei ihrer Verständigung tierische Eigenschaften zunutze.
Kennen Sie das auch, wenn Sie in einem Affenzahn zur U-Bahn laufen müssen, deshalb schwitzen wie die Sau, zwischendurch eine schwarze Katze ihren Weg kreuzt und am Ende die paar Kröten im Portemonnaie nicht mehr für ein Ticket ausreichen? Solche Tage sind doch wahrhaftig zum Mäusemelken! Woher kommen eigentlich diese Redewendungen, fragt man sich angesichts eines solchen Szenarios. Tiermetaphern haben sich seit Jahrhunderten in unseren verbalen Alltag integriert und fungieren dort als Bilder, um menschliche Verhaltensweisen, Schwächen und Stärken sprachlich zu visualisieren. Sie werden dazu genutzt, bestimmte Sachverhalte vereinfacht darzustellen, um sie verständlich und nachvollziehbar zu machen. Eine solche Anthropomorphisierung entsteht dadurch, dass gewissen Tieren jeweils eine spezifische Eigenart zugewiesen wird, die das Tier zueinem Symbol für eben diese Eigenschaft werden lässt. In der Literatur sind es vor allem Fabeln und Märchen, die vor Tiermetaphern geradezu strotzen. So steht beispielsweise der Uhu für Weisheit, der Wolf für das Böse oder das Lamm für die Unschuld. Durch diese Art der Charakterisierung entstehen bestimmte Typen, die durch ein besonders auffälliges Merkmal herausstechen. Die Vermenschlichung von Tieren wird in Fabeln und Märchen oft durch entsprechende Illustrationen zusätzlich forciert. So werden Meister Reineke und Meister Lampe beispielsweise meist auf zwei Beinen stehend und in menschliche Gewänder gekleidet dargestellt. Aber wie wurde eigentlich festgelegt, dass es gerade die Gans ist, die als dümmlich gilt, der Fuchs hingegen schlau sein darf? Der Ursprung einer Tiermetapher entspringt in den meisten Fällen der Beobachtung bestimmter Tierverhaltensweisen, woraus schließlich ein besonders auffälliges Merkmal herausgefiltert und dem Tier als markantes Attribut zugeschrieben wird. Das Adlerauge geht dementsprechend auf die hervorragende Sehkraft des Greifvogels zurück, während der Maulwurf, der sich meist unter der Erde aufhält, als blind bezeichnet wird. Die Stärke des Löwen ist auf dessen unangefochtene Machtposition im Tierreich zurückzuführen und das Nachplappern des Papageis auf dessen Fähigkeit, die menschliche Sprache zu imitieren. Andere Eigenschaften erscheinen allerdings nach (bio)logischer Sicht weniger nachvollziehbar. Dass ein Porzellanladen nicht gerade der geeignetste Ort für einen Elefanten ist, dürfte auch ohne Fachwissen angesichts der Größe und Schwere des Dickhäuters einleuchtend sein. Dass sich Raben allerdings nicht um ihren Nachwuchs kümmern und schlechte Eltern folglich als Rabeneltern bezeichnet werden, ist eine Zuschreibung, die hinkt. Denn tatsächlich sind Raben sehr fürsorgliche Tiere. Und auch der Lustmolch ist nicht derart auf körperliche Liebe erpicht, wie man meinen mag. Sehnt sich der menschliche Lustmolch beinahe aufdringlich nach sexueller Zuneigung, so ist sein tierischer Namensgeber umso zurückhaltender. Dieser nämlich legt seinen Samen auf dem Boden ab und lässt ihn dort von einem Molchweibchen abholen, das sich quasi selbst befruchtet. Wenn eine Metapher sich, wie in diesen Fällen, nicht durch das Verhalten eines Tieres begründen lässt, so ist es häufig das Aussehen, das Aufschluss darüber gibt, weshalb bestimmten Tieren teilweise paradoxe Eigenschaften zugesprochen werden. Im Allgemeinen als weniger ansehnlich betrachtetet Tiere, wie etwa Spinnen, Würmer oder eben auch dem Molch, werden dann schnell Eigenschaften zuteil, die einem Vorurteil entspringen. Der Sündenbock unserer Ängste und Abneigungen findet sein Gesicht also in Tieren, deren Aussehen wir als abstoßend oder befremdlich empfinden. Einige der Tiermetaphern, tierischen Redewendungen und Mythen werden im Folgenden ein bisschen genauer unter die Lupe genommen, haben sie doch auch unseren Sprachgebrauch nachhaltig geprägt.Warum genau ist es eigentlich der Storch, der die Kinder bringt? Und weshalb gilt das Schwein einerseits
Von Kinder bringenden und gebratenen Störchen
Was heute mit Bienen und Blumen erklärt wird, regelte früher ein Vogel. Der Storch, so der aus dem 18. Jahrhundert stammende Mythos, war es nämlich, der Säuglinge aus dem Brunnen holte, um diese den frisch gebackenen Müttern zu überreichen. Während in der psychoanalytischen Deutung proklamiert wird, dass der Storchenschnabel den Phallus des Mannes symbolisiere (schließlich wurde das männliche Geschlechtsteil im Mittelalter als Storch bezeichnet) und der Brunnen den Schoß der werdenden Mutter darstellt, spielt in anderen Erklärungsversuchen das Wasser eine große Rolle. Da der Storch sich aufgrund seiner Nahrungssuche in der Nähe von Gewässern aufhält und Wasser bekanntlich als Lebenselixier betrachtet wird, schien es nur logisch, den Vogel in Zusammenhang mit der Kindsgeburt zu bringen. Auch die Lieblingsspeise des Storches, nämlich der Frosch, galt im Mittelalter als ein Symbol für Fruchtbarkeit, woraus der Glaube daran, dass der Storch im Gewässer nach dem Leben sucht, entstanden sein mag. Wer sich nun fragt, weshalb denn gerade dieses Tier gebraten werden soll, der irrt in der Annahme, dass die Redewendung „Da brat’ mir doch einer einen Storch!“ eine tatsächliche Aufforderung sei. Vielmehr soll durch diesen Satz
großes Erstaunen ausgedrückt werden. Dass der heilige, weil Leben bringende Storch verspeist werden könnte, galt als abwegig und unerhört und wird auch noch heute im Allgemeinen abgelehnt.
Das viel beschimpfte Glücksschwein
Das Schwein bzw. die Sau muss sich so einige Beschimpfungen gefallen lassen. Entweder ist es dreckig, arm, unanständig und faul, hat keine Manieren oder ist schlichtweg dumm. Gleichzeitig dient es aber dazu, um bestimmten Adjektiven eine gewisse Nachdrücklichkeit zu verleihen. Etwas das kalt ist, wird dann saukalt, etwas Gutes saugut, etwas Blödes saublöd und so lassen sich saumäßig viele Redewendungen und Metaphern finden, die sich alle auf das Schwein beziehen. Möglicherweise, so die Forschung liegt der Grund hierfür in der engen Beziehung zwischen Schwein und Mensch. Diese halten seit jeher Schweine als „Haustiere“, essen ihr Fleisch und opferten sie früher Göttern. Auch physiologisch und psychologisch betrachtet ist das Schwein dem Menschen sehr ähnlich. Bereits Edgar Allen Poe erkannte diesen Umstand, als er Menschen als senkrechte Schweine bezeichnete; und auch Churchill sagte einst: „Der Hund blickt zum Menschen auf, die Katze blickt auf ihn hinab, das Schwein blickt ihn auf Augenhöhe an.“ Umso seltsamer erscheint die Tatsache, dass wir nicht auf Augenhöhe zurückblicken und das Schwein stattdessen auf dem Teller landet … Gerade weil es so oft als Schimpfwort herhalten muss, erscheint es beinahe paradox, wenn wir uns an Silvester kleine Plastikschweine schenken und uns damit gegenseitig viel Glück für das kommende Jahr wünschen oder nach einem Glück im Unglück mit einem „Schwein gehabt“ wieder aufatmen. Die Erklärung dafür ist allerdings alles andere als glücklich: Nicht nur heute gilt das Schwein unter anderem als Ware, wenn es dem Fleischkonsum zum Opfer fällt, sondern auch früher und vor allem im mitteleuropäischen Raum konnte sich „glücklich“ schätzen, wer im Besitz eines Schweines war und damit diesen „Wertgegenstand“ sein Eigentum nennen durfte. (…)
Weitere tierische Redensarten und Erklärungen gibt’s ab Seite 26 in der Februar/März-Ausgabe 2016. Alle Hefte schicken wir Ihnen portofrei zu.