Bier: Zwischen Trend und Tradition

Psst, ein kleines Geheimnis aus unserer Redaktion: Wenn wir es mal wieder geschafft haben und die Daten für die neue Ausgabe zur Druckerei senden können, dann hört man es in unseren Büroräumen schon mal zischen und gluckern – wir begießen unsere getane Arbeit mit einem kühlen Feierabendbier. Hach, das tut gut! Bei aller Liebe zu diesem Ritual schließen wir uns jedoch nicht der bei uns in Bayern immer wieder beschworenen Meinung an, der Gerstensaft sei ein „Grundnahrungsmittel“. Alkohol bleibt Alkohol und sollte daher nicht im Übermaß genossen werden.

Woher aber kommt dann die Ansicht, bei Bier handele es sich letztlich schlicht um „flüssiges Brot“? Nun, zunächst hat das natürlich einfach damit zu tun, dass eine Hauptzutat für Bier Getreide ist – Weizen, Gerste oder Roggen z.B., in anderen Kulturkreisen auch mal Bier oder Mais. Vermutlich entstanden die ersten Biere auch zufällig, weil Brotteig oder feucht gewordenes Brot in der Hitze Mesopotamiens zu gären begann. Das soll dort in Vorderasien bereits vor rund 10.000 Jahren passiert sein, absichtliches Bier-Brauen folgte alsbald auf dem Fuße. Dazu wurden Teigfladen geröstet, anschließend eingeweicht und vergoren. Später, etwa um 5000 v. Chr., dürfte nach heutigen Erkenntnissen auch direkt aus dem gekeimten und geröstenen Getreide Bier hergestellt worden sein. Wie sehr jenes schmackhafte Gebräu geschätzt und verehrt wurde, wie sehr es in Zusammenhang steht mit der Entstehung menschlicher Kultur, zeigt sich z.B. im berühmten Gilgamesch-Epos aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr.: In jener babylonischen Dichtung wird das Naturwesen Enkidu nämlich erst zu einem zivilisierten Menschen (und schließlich zum treuen Begleiter des Zweidrittelgottes Gilgamesch), nachdem es sich eine Woche lang sexuell vergnügt und überdies Brot gegessen sowie Bier getrunken hat – wozu ihn alles die Tempeldienerin Šamhat verführt hatte. Sieben Krüge soll der zottelige Wilde gekippt haben – daraufhin „frohlockte sein Herz, und sein Antlitz erstrahlte“, er wurde ein Mensch.

Trickreiche Brotzeit

Bier ist mit Brot also tatsächlich irgendwie „verwandt“ und verbunden, doch neben Zutaten gibt es noch eine weitere Gemeinsamkeit: Es sättigt. Darum war es im mittelalterlichen Europa in Zeiten von Nahrungsknappheit tatsächlich eine beliebte Ergänzung zur beißbaren Kost. Sogar Kinder versorgte man in dieser Zeit guten Gewissens mit dem Gerstensaft – was unter anderem daran lag, dass es durch das Kochen der Bierwürze nahezu keimfrei war, was man vom verfügbaren Trinkwasser häufig nicht behaupten konnte. Auch der Alkoholgehalt des Bieres lag damals meist noch deutlich unter den hierzulande heute üblichen 4,5 bis sechs Prozent, nämlich ungefähr bei der Hälfte. Das möchte und sollte man mittlerweile den Kleinen zwar auch nicht mehr antun, damals schien es aber das kleinere Übel. Und nicht nur als Kinder-, auch als Fastengetränk war Bier beliebt, nach dem Motto „Flüssiges bricht kein Fasten“. Besonders in den Klöstern, wo Bier zu jener Zeit hauptsächlich gebraut wurde, hielt man es so, trank etwa fünf Liter pro Tag und Person! Manch findige Mönche ließen sich sogar etwas ganz Besonderes einfallen, nämliche z.B. jene Burschen des Münchner Paulaner-Ordens, die häufig als Erfinder des Starkbiers gehandelt werden. Ob dem tatsächlich so ist, sei dahingestellt – es gibt nämlich auch historische Belege, die darauf schließen lassen, dass ein niedersächsischer Braumeister zuvor schon ähnliche Ideen gehabt hatte – nämlich das Bier nahrhafter und alkoholreicher zu gestalten als sonst zu jener Zeit üblich.

Wer nun auch immer der erste war, der Starkbier erfunden hat – fest steht, dass das kalorienreiche Getränk während der Fastenzeit vom Papst ausdrücklich erlaubt wurde. Dazu gibt es eine Legende, von der es, wie bei solchen Überlieferungen üblich, verschiedene Versionen gibt. In manchen Quellen bezieht sie sich auf besagten Paulaner-Orden, in manchen auf die Benediktiner vom Kloster Weihenstephan bei Freising, in manchen ist lediglich von bayerischen Klöstern im Allgemeinen die Rede. Und auch warum von dort ein Fässchen Bier zum Papst nach Rom geschickt wurde, wird unterschiedlich dargestellt: Mal heißt es, ein paar Mönche hätte ob des lustigen Treibens das schlechte Gewissen getrieben, mal wiederum liest man, der Papst selbst habe ein Fass bayerischen Klosterbieres angefordert, um dessen Fastentauglichkeit zu überprüfen, mal wollten sich die trickreichen Mönche schlicht einen Segen holen, wohlwissend, was mit ihrem Leib- und Magentrunk auf der Reise passieren würde. Der Inhalt des Fasses überstand den wochenlangen Weg nämlich nicht besonders gut, im Gegenteil: Das Geschüttel bei der Alpenüberquerung sowie die italienische Sonne hatten es ungenießbar und sauer gemacht. Ein Schluck überzeugte den Heiligen Vater, dass er geradezu stolz auf seine darbenden Schäflein sein konnte, denn wer solche Plörre trinke, so war er sicher, der faste nun wirklich.

Gesunder Gerstensaft?

Heutzutage stufen wir Bier, von den eingangs genannten „Flüssiges Brot“-Parolen aus Bayern vielleicht mal abgesehen, eher als Genuss-, denn als Grundnahrungsmittel ein und raten beim Maßkrug leeren zum Maß halten. Denn beim bald wieder anstehenden Oktoberfest z.B. zeigen sich neben genussvoller Lebensfreude alljährlich auch die Schattenseiten des übermäßigen Konsums: bewusstlose Betrunkene, enthemmte Grapscher usw.
Nichtsdestotrotz kann Bier durchaus gesundheitsförderliche Aspekte haben, wenn es in überschaubaren Mengen oder auch gleich alkoholfrei genossen wird. Bier, insbesondere Weißbier (Weizen), ohne „Umdrehungen“ gilt sogar ausdrücklich als Sportlergetränk, insbesondere für Ausdauersportler*innen, die etwa einen Marathon bewältigt haben. Denn die goldene Erfrischung ist isotonisch, also in der Zusammensetzung ihrer Salze genauso konzentriert wie Körperflüssigkeiten, wodurch sich der Mineralstoff- und Wasserverlust beim Sport besonders effektiv ausgleichen lässt. Das darin enthaltene Magnesium kann überdies Krämpfen vorbeugen, seine Polyphenole das Immunsystem stärken.

Ob nun nach dem Marathon oder zum Feierabend – von unserem Nationalgetränk werden wir Deutschen so schnell wohl nicht mehr lassen. Auch wenn der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten Jahren gesunken ist, waren es 2014 laut Statista immer noch rund 107 Liter, im Weinland Österreich beinahe ebenso viel (104 Liter). Nur die Tschech*innen trinken mehr, nämlich 144 Liter. Ähnlich wie in Deutschland sieht es in dessen ehemaliger Kolonie Namibia aus (108 Liter), wo mit dem Windhoek Lager eines der weltbesten Biere herkommen soll.

107 Liter – das bedeutet, dass bei uns mehr Bier als Milch (Frischmilcherzeugnisse: ca. 92 Liter) konsumiert wird – und das nicht nur in veganen Kreisen. Apropos vegan: Wegen des deutschen Reinheitsgebotes, das Brauern lediglich die Verwendung von Hopfen, Malz (= gekeimtes und getrocknetes Getreide), Hefe und Wasser erlaubt, sind deutsche Biere in aller Regel tierproduktfrei, was man vom häufig mit Gelatine, Fischblasen oder Eiweiß geklärten Wein nicht behaupten kann. Auch beim Bier können jedoch mitunter tierische Stoffe zur Klärung benutzt werden – ohne Deklarationspflicht, da sie nicht mehr im Endprodukt enthalten sind. Das ist hierzulande allerdings eher selten der Fall. Strenge Veganer*innen achten überdies auf die Art des Leimes, mit dem das Etikett auf die Bierflaschen geklebt wurde. Dieser kann z.B. Casein aus Kuhmilch enthalten. Im Zweifel hilft nur die direkte Nachfrage bei den Brauereien selbst. Derer gibt es in Deutschland 1300, die über 40 verschiedene Sorten und rund 5500 einzelne Marken herstellen – eine grandiose Vielfalt, die weltweit ihresgleichen sucht, auf die wir uns aber dennoch nicht zu viel einbilden sollten.

Denn während wir hier manchmal allzu verstockt auf Traditionen pochen, bastelt man anderswo an kreativen, köstlichen Innovationen. Warum es sich allem nationalen Süffigkeitsstolz zum Trotz lohnt, auch außerhalb von Deutschland zum Krug zu greifen – und wieso manch Bier es verdient, mal zu anderen Gelegenheiten als dem Stadionbesuch, Oktoberfest oder Redaktionsschluss genossen zu werden, darüber haben wir mit Bier-Expertin Sylvia Kopp gesprochen – lesen Sie einfach weiter. Vielleicht ja bei einem leckeren Schluck Pils, Weizen, Stout, Ale, Rauchbier, Bock, Kölsch, Hellen, Alt … Prost!

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